Mirtazapin bei Depression

MedikamentWegen welcher KrankheitDauer der Einnahme
MirtazapinDepression2 Monate

Beschreibung der Wirksamkeit und Nebenwirkungen:

Gleich vorab an alle, die nicht viel lesen wollen: Die Verschreibung von Mirtazapin empfand ich nicht als Hilfe, sondern als Folter. Das sind starke Worte, die man aber verstehen dürfte, wenn ich nun etwas weiter aushole.

Ich litt schon etwa 5 Monate an einer mittelschweren (an einzelnen Tagen auch schweren) Depression, bis ich deshalb zum Arzt ging. Man verschrieb mir das Mittel mit dem Hinweis, es sei ein modernes, gut verträgliches, sehr wirksames Antidepressivum. Modern mag es sein (kann ich nicht beurteilen). Gut verträglich war es in keinster Weise. Wirksam war es, auch noch ein halbes Jahr über die Einnahme hinaus, aber eben nicht in der erwünschten Weise. Ja, die Nebenwirkungen, die waren und sind immer noch stark und zahlreich.

Es hatte einen erwünschten Effekt nur etwa die ersten 2 Wochen: Ich konnte nach der Einnahme wieder einschlafen. Das war's aber auch schon. Diesen Effekt erkaufte man sich mit dem Nachteil, am nächsten Morgen nicht in die Pötte zu kommen. Totaler Hangover! Wenn die Kollegen schon in der Frühstückspause (9:30 Uhr) saßen, wurde ich erst richtig wach. Damit war selbst diese schlafanstoßende Wirkung keine Hilfe, denn der Schlaf hatte ja keinen erholsamen Effekt. Zuvor konnte ich zwar schlecht ein- und durchschlafen, aber ich war am nächsten Tag schneller wach und wesentlich fitter. Von Mirtazapin bekam ich auch sehr skurrile Alpträume, wie ich sie nie zuvor im Leben hatte (bis heute nicht verschwunden).

Einen antidepressiven, stimmungsaufhellenden Effekt hatte das Mittel überhaupt nicht. Im Gegenteil: Die Depression verschlimmerte sich und es kamen weitere psychische und körperliche Probleme hinzu.

Psychisch: Ich war plötzlich sehr am Wasser gebaut. Ohne erkennbaren Anlass kamen mir plötzlich die Tränen. Es war ganz schön herausfordernd, diese während der Arbeit und in der Öffentlichkeit zu unterdrücken. Es gehörte zum Tagesablauf, nach Feierabend zuhause alles rauszulassen, was sich tagsüber anstaute. Ich saß dann etwa 10 Minuten einfach auf meinem Bett und weinte. Ich betone: Vor der Verschreibung von Mirtazapin war ich depressiv, aber geweint habe ich dabei nie, obwohl alles tragisch genug war, dass man hätte weinen können. Suizidgedanken: Hat man mit Depression ohnehin schon leicht. Durch M. wurden bei mir aber konkrete Pläne daraus. Es ist Zufällen zu verdanken, dass ich heute noch lebe! Ich hatte mich umfangreich über Techniken des Selbstmords informiert und akribisch abgewägt, welche davon schiefgehen können, und wie es „todsicher“ funktioniert. Viel hat nicht gefehlt, dass ich an einer nicht frequentierten Brücke gehangen wäre.

Körperlich: Ich bekam Probleme mit allen Gelenken, Schmerzen (brennend, ziehend, stechend, drückend) in verschiedensten Gliedmaßen. Ich wurde so schwach, dass kleinste körperliche Verrichtungen eine Herausforderung sind (in die Hocke gehen um Schuhe anzuziehen, Flaschen aufdrehen, Pakete heben). Ich bekam auch stromschlagartige Empfindungen, ebenfalls an verschiedensten Stellen, die sich wie bei einer neurologischen Untersuchung anfühlen. Ich bin permanent irgendwo verspannt und verkrampft, ließ mir auch eine Knirschschiene anfertigen in der Hoffnung, meine Zahnsubstanz nicht zu sehr zu verschleißen, wenn ich mit einem Gebiss wie einer zugeschnappten Bärenfalle aufwache. Ein ganz unangenehmes Gefühl! Man merkt, wie man langsam wach wird, ist aber noch nicht bei vollem Bewusstsein, bewegt leicht den Kopf und spürt, wie die klemmenden Zahnreihen aufeinander knirschen, aber: Man kriegt sie nicht auseinander (deshalb der Vergleich mit der Bärenfalle), bevor man wirklich wach ist. Furchtbar!

Insgesamt kam ich mir total fremdgesteuert vor. Es war offensichtlich, dass etwas nicht stimmte. Aber der Arzt sagte mir ja, Nebenwirkungen könnten auftreten, würden aber nach 3, 4 Wochen verschwinden. Also, wartete ich einfach ab (obwohl selbst der schlafanstoßende Effekt schon nicht mehr gegeben war und ich eigentlich schon nicht mehr den geringsten Nutzen von dem Zeug hatte). Es besserte sich aber rein gar nichts sondern wurde gefühlt immer schlimmer. Dann recherchierte ich im Internet und begriff endlich, was man mir angetan hatte.

Sofort begann ich, in Eigenregie (Ärzten sprach ich inzwischen die Kompetenz ab), langsam auszuschleichen. Damit begann das nächste Dilemma! Zu den bekannten Problemen kamen üble Entzugserscheinungen:

Körperlich: Großflächige Ausschläge, Magen-Darm-Beschwerden, Sehstörungen, Sprachstörungen, Schwindel, Atemnot, Herzrasen, Hitzewallungen.

Psychisch: Unbegründete Panikattacken. Nie gekannte Aggressivität. Ich bin noch heute zutiefst entsetzt darüber, wie ich mich durch M. von einem friedliebenden Menschen in ein aggressives Ungeheuer verwandelt hatte. Wegen völliger Kleinigkeiten entwickelte ich einen derartigen Hass auf Mitmenschen, dass ich Angst hatte, ich würde jemandem was antun (ein Stück weit bin ich stolz, noch so vernünftig reflektierend denken zu können).

Diese Entzugserscheinungen verschwanden glücklicherweise nach etwa 4 Wochen. Interessanterweise verschwand auch die Depression weitere 3 Wochen später von selbst, trotz der ganzen Misere. Geblieben sind mir aber leider körperliche Folgeschäden. Gelenkbeschwerden, Muskelschmerzen, Gangunsicherheit, körperliche Schwäche. Alles sehr demütigend für einen gerade mal 30-jährigen Mann.

Ich versuchte natürlich auch, Hilfe bei Ärzten zu suchen. Doch fieser Weise lassen sich die genannten Beschwerden durch medizinische Diagnostik nicht nachweisen bzw. einem Krankheitsbild zuordnen.

Und jetzt kommt der absolute Hammer: Der Arzt, der mir M. verschrieb, schob alle Beschwerden auf die Psyche. Ich würde weiterhin unter einer Depression leiden und die Beschwerden seien psychosomatisch – ER WOLLTE MIR EIN ANDERES PSYCHOPHARMAKUM VERSCHREIBEN. Ich beendete das Gespräch. An mir gibt es keine Experimente mehr! Unter keinen Umständen nehme ich noch irgend eine Psycho-Pille, eher würde ich drogenabhängig! Denn laut meinen Recherchen ist M. nicht das einzig problematische Mittel. ALLE Wirkstoffklassen von Psychopharmaka, auch Benzodiazepine, können solche Beschwerden auslösen – mit denen man dann völlig alleingelassen ist.

Ich habe es auch bei einem Neurologen versucht. Auch er konnte medizinisch nichts feststellen. Nun der nächste Hammer: Er vermutete HYPOCHONDRIE. Na super!

Fazit: Dieses verfluchte Zeug hat mir zahlreiche Beschwerden beschert und beim Versuch, diese zu beheben wurde ich auch noch als Hypochonder abgestempelt. Das steht nun natürlich in meiner Patientenakte drin. Man muss sich mal durch den Kopf gehen lassen, was das für weitere Gesundheitsprobleme bedeuten kann: Der Arzt hat ein vorgefertigtes, verfälschtes Bild vom Patient. Das ist einer adäquaten Behandlung sicherlich nicht zuträglich.

Ja, das ist nun viel Text geworden. Ich wäre eigentlich viel zu faul gewesen, so viel zu schreiben, wenn ich nicht wirklich den Drang hätte, vor diesem Zeug dringend zu warnen. Meine Depression ist längst vorbei. Aber die Folgeschäden von M. ertrage ich nun schon über ein halbes Jahr. Ich hätte rein seelisch wieder richtig Lust, am Leben teilzunehmen. Aber vieles geht nun einfach (hoffentlich nur vorübergehend) nicht mehr.

Noch was: Wenn Ihr Euch die Fülle an Nebenwirkungen anschaut, die ich als Schlagworte angebe, könntet Ihr den Eindruck gewinnen, da hat es jemand übertrieben und einfach mal in einer Liste alles angehakt, was ins Auge sprang. So funktioniert Sanego aber nicht. Man trägt in leere Felder ein und bekommt Auto-Vorschläge. Ich habe die Begriffe dem von mir mühsam verfassten Text der Reihe nach entnommen und erst dann gesehen, dass es sich um ganze 23 Nebenwirkungen handelt. Das kriegt man gar nicht alles zusammen, wenn man gefragt wird, wie es einem geht. Okay, das ist nun irrelevant, da es ja kaum jemand so genau wissen will.

Eingetragen am 20.12.2019 als Datensatz 94288
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Bewertung der Medikamente durch den Eintragenden:

Mirtazapin
Wirksamkeit
Verträglichkeit
Anwendung
Preis/Leistungs-Verhältnis
Empfehlung
Durchschnitt

Wirkstoffe der Medikamente:

Mirtazapin

Patientendaten:

Geburtsjahr:1990 
Größe (cm):172 Eingetragen durch Patient
Gewicht (kg):69
Geschlecht:männlich

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