Körper und Seele - Eine Geschichte zur Psychosomatik

Dr. Wille leitet eine Fabrik, die er von seinen Eltern übernommen hat. Von der Firma Aus & Löser hat er einen großen Auftrag in Aussicht gestellt bekommen. Chef von Aus & Löser ist der alte Duncan Despott. Er ist Dr. Wille zutiefst unsympathisch, aber seine Firma braucht dringend diesen Auftrag. Bei der Auslieferung von Probeprodukten kommt es jedes Mal zu unerklärlichen Fehlern, so dass Duncan Despott sich in scharfer Form bei Dr. Wille beschwert. Der kocht innerlich vor Wut und fürchtet, den Auftrag zu verlieren. Also beauftragt er den externen Berater Mc Freud herauszufinden, wodurch die Störung bedingt ist. Nach einer umfassenden und nicht billigen Analyse präsentiert Mc Freud das Ergebnis: ,,In Ihrer Entwicklungsabteilung sind zwei altgediente Mitarbeiter, die schon zu Zeiten Ihres verstorbenen Vaters in der Fabrik gearbeitet haben. Offensichtlich sabotieren die den Fertigungsprozess. Es sind die Mitarbeiter Klein und Kind. Sie manipulieren sehr geschickt Fertigungscomputer, so dass Waren fehlerhaft hergestellt werden.“

Dr. Wille sinkt zutiefst erschrocken in seinen Sessel zurück. ,,Ich möchte Sie `rausschmeißen, diese Kannaillen, aber sie sind unkündbar, gehören gleichsam zum Betriebsinventar.“ ,,Wie wär` s, wenn wir sie uns einmal anhören?“ fragte Mc Freud. ,,Ich lasse sie sogleich zu mir kommen.“ rief Dr. Wille und griff energisch zu seinem Telefonhörer. ,,Lassen Sie uns lieber zu Ihnen in die Abteilung gehen, es sind so lang gediente Mitarbeiter, sie werden ihre Gründe haben, und wir sollten eine vertrauensvolle Atmosphäre schaffen.“ schlug Mc Freud vor. 
In der Entwicklungsabteilung fanden sie Klein und Kind. Beide waren eifrig beschäftigt. Dr. Wille fiel auf, wie müde und angestrengt Herr Klein aussah und wie resigniert und traurig Frau Kind. Plötzlich taten ihm diese beiden altgedienten Mitarbeiter sehr leid, seine Augen wurden feucht, er konnte sich gar nicht vorstellen, warum diese beiden den Betrieb sabotierten. Frau Kind gab sogleich zu, die Ablaufprozesse in der Motorabteilung gestört zu haben. Herr Klein blieb renitent und verweigerte die Aussage. Mc Freud, der schweigsam und gleichmütig das Treffen beobachtete, fragte: ,,Ihnen allen liegt doch das Heil dieses Betriebes am Herzen, was ist denn geschehen?“ Da antwortete Frau Klein: ,,Ihr neuer Kunde Duncan Despott ist ein Schwein. Er will uns fertig machen, er will die Entwicklungsabteilung okkupieren und zerschlagen.“ Sie schwieg einen Moment. Dann: ,,Er ist wie Ihr Vater, Gott hab ihn selig, der alte Willbrecht Wille, dem ich, wie Sie wissen, schon gedient habe.“ ,,Was war mit meinem Vater?“ fragte Dr. Wille erstaunt und beugte sich hinunter zu Frau Klein. ,,Sag du es ihm!“ sagte Frau Klein und wandte sich zu Herrn Kind. Der hielt den Kopf gesenkt und sagte mit leiser, trauriger Stimme: ,,Er hat uns in unserer Entwicklungsabteilung damals so viel kaputt gemacht. Wir hatten gute Pläne, phantastische Ideen, so schöne Entwicklungen, alles hat er kaputt gemacht und verboten.“

Herr Kind war auf seinen Bürostuhl gesunken und hielt die Hände vor` s Gesicht. Frau Klein stand ganz nahe bei Dr. Wille, und zischte leise: ,,Wir konnten gegen ihn nichts machen, er war zu stark, aber wir schworen, dass uns niemand noch einmal so behandeln würde und dass wir es heimzahlen werden, wenn nicht jetzt, dann später.“ ,,Aber warum seid ihr denn nicht früher zu mir gekommen?“ rief Dr. Wille ganz erschüttert. ,,Wie sollten wir denn“ sagte Frau Klein leise, ,,Wir hatten doch gar keinen Zugang zu Ihnen.“ Und Herr Kind pflichtete ihr bei: ,,Sie haben doch gar nicht gewusst, dass es uns überhaupt gibt! Sind Sie jemals in all den Jahren in diese Abteilung heruntergekommen?“ Dr. Wille hatte sich hingesetzt und nickte gedankenverloren: ,,Sie beide haben also diesen Auftrag von Duncan Despott abgewehrt, weil Sie meinten, er werde unser Unternehmen beschädigen und haben dies gemacht, indem Sie Sabotage betrieben.“ Mc Freud, der am Fenster stand, sah nach draußen und fragte: ,,Despott hätte Ihre Firma beschädigt, nicht wahr, Dr. Wille? Und Klein und Kind hatten gar keine andere Wahl, als auf diese Weise Schaden abzuwehren.“ 
Herr Dr. Wille reichte Frau Klein und Herrn Kind die Hand. Als er den beiden beim Abschied in die Augen schaute, fiel ihm erstaunt auf, dass es der gleiche klare Blick seiner eigenen Augen war. Erleichtert und nachdenklich verließ Dr. Wille die Entwicklungsabteilung. 

Können Sie jetzt vielleicht verstehen, weshalb Menschen Beschwerden und Krankheiten entwickeln, z. B. Muskelschmerzen, Muskelverspannungen, ohne dass sich zunächst bewusst ein Grund hierfür finden lässt?

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Arzt

Die ist ein Experten-Beitrag von:
Dr. med. Matthias StephanDr. med. Matthias Stephan
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