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/ Was ist eigentlich gesunder Alkoholkonsum? Autor und Wissenschaftsjournalist Bas Kast im Interview

Was ist eigentlich gesunder Alkoholkonsum? Autor und Wissenschaftsjournalist Bas Kast im Interview

Von: Elisabeth Maußner

Veröffentlicht: 02.01.2025

Lesezeit: 5 Min.

Mein Körper | Ernährung | Tipps

Eine Hand verdeckt die Öffnung eines Weinglases. Von rechts bietet eine andere Hand eine Flasche Wein zum Nachschenken an.
Wann sollten Sie für Ihre Gesundheit besser auf Alkohol verzichten? | © Brian Jackson - stock.adobe.com

Ein Glas Wein zum Essen? Jedes Wochenende beim Feiern mit Freunden und Freundinnen? Oder nur zu besonderen Anlässen? Zwischen totalem Verzicht und problematischen Alkoholkonsum gibt es zahlreiche Abstufungen. Doch wie viel Alkohol ist gesund?

Stellen Sie diese Frage auf einer Party, bekommen Sie unzählige verschiedene Antworten. Vom täglichen Glas Wein für die Gesundheit bis hin zu 1- 2 Drinks pro Woche gibt es ganz unterschiedliche Studien und Erkenntnisse zu diesem Thema. Autor und Wissenschaftsjournalist Bas Kast hat sie für sein neues Buch zusammengetragen und kommt zu einer erstaunlichen Antwort.

„Warum ich keinen Alkohol mehr trinke“ aus dem C. Bertelsmann Verlag basiert auf neuesten wissenschaftlichen Studien und sagt ganz klar: So wenig Alkohol wie möglich ist das Beste für Ihre Gesundheit.

Der plötzliche Umschwung: Alkohol ist doch nicht gesund

In unserem Interview erklärt Bas Kast, wie er vom Genusstrinker zum Abstinenzler wurde und wie Sie selbst eine fundierte Entscheidung zum eigenen Alkoholkonsum treffen können.

sanego: Sie beschäftigen sich schon sehr lange mit einem gesunden Lebensstil und gesunder Ernährung. Auf Alkohol verzichten Sie allerdings erst seit zwei Jahren. Wie sind Sie auf das bisher „übersehene“ Thema gestoßen?

Bas Kast: Es ist nicht so, dass ich das Thema übersehen hätte, sondern dass die Forschungsbefunde dazu im Verlauf der Jahre zunehmend kritischer geworden sind. Lange Zeit galt: Ein bis maximal zwei Gläschen Wein oder eine kleine Flasche Bier am Abend (oder bis zu zwei für Männer) ist, mit Blick auf die Gesundheit, halbwegs okay, und womöglich sogar herzschonend. Da Herz-Kreislauf-Erkrankungen Todesursache Nr. 1 bei uns sind, genoss maßvoller Alkoholkonsum, einen recht guten Ruf. Speziell ein Glas Rotwein galt vielen als gesundheitsfördernd. Dieses Bild hat sich radikal verändert. Heute würden die meisten Forscher sagen: Jeder Schluck Alkohol schadet.

Bas Kast

ist Autor und Wissenschaftsjournalist. Nach seiner Schulzeit in Deutschland und den Niederlanden studierte er Biologie und Psychologie. Sein bekanntestes Sachbuch „Der Ernährungskompass“ wurde in 20 Sprachen übersetzt. Neben seiner Expertise für Gesundheitsthemen wie Ernährung, Altern und Supplements schreibt er auch Romane.

Vorteile und Nachteile von Alkohol

sanego: Alkohol hat zahlreiche schlechte Auswirkungen auf den Körper. Welche Fakten wiegen denn hier für Sie am schwersten?

Bas Kast: Man hatte bereits früher erkannt, dass Alkohol krebserregend ist. Da der angebliche herzschonende Effekt immer zweifelhafter wird, tritt diese Gefahr mehr und mehr in den Vordergrund. Eine Flasche Wein enthält, was die Erhöhung des Krebsrisikos betrifft, für Frauen ungefähr 10 Zigaretten, für Männer sind es fünf. Bei Frauen ist insbesondere das Brustkrebsrisiko erhöht, bei beiden Geschlechtern dann auch das Darmkrebsrisiko, und beides schon bei einem sehr moderaten Konsum von 3 bis 6 Drinks pro Woche.

sanego: Gibt es auch positive Auswirkungen von Alkohol auf den Körper?

Bas Kast: Darüber wird immer noch diskutiert und gestritten. Manche Forscher sagen: Alkohol hat einen entspannenden Effekt, es dämpft zum Beispiel die Aktivität einer "Alarmzentrale" in unserem Gehirn namens "Amygdala" oder "Mandelkern". Über diese Mandelkern-Dämpfung könnte Alkohol eventuell jene hypothetische herzschonende Wirkung entfalten. Es sind durchaus seriöse Forscher, die diese Vermutung vertreten oder sagen: Wir wissen es nicht. Die Mehrzahl der Forscher aber würde inzwischen eher sagen, dass es keine positiven Auswirkungen gibt.

Cover Weil ich keinen Alkohol mehr trinke
Cover Weil ich keinen Alkohol mehr trinke | © C. Bertelsmann

Die Entscheidung zum Alkoholverzicht

sanego: Nach der Faktenlage haben Sie entschieden: Ich trinke keinen Alkohol mehr. Wie lief dieser Entscheidungsprozess genau ab?

Bas Kast: Ich habe in meinem Leben immer mal wieder aufgehört und angefangen, Pausen eingelegt etc. Als meine Frau schwanger war, habe ich zum Beispiel auch nichts getrunken. Ich hatte zufällig eine Pause eingelegt, als im Januar 2023 die kanadischen Gesundheitsbehörden die neuen Forschungsbefunde ausgewertet hatten und daraus eine neue offizielle Empfehlung für Kanada formulierten: Demnach sei Abstinenz am besten - wer dennoch trinken möchte, sollte es bei einem bis zwei alkoholischen Getränken die Woche belassen, ansonsten steigen die Risiken für diverse Erkrankungen, darunter Krebs, deutlich an.

sanego: Alkohol ist ein großer Teil unserer Kultur. Wie hat ihr Umfeld reagiert, als sie nicht mehr mitgetrunken haben?

Bas Kast: Mein persönliches ganz okay, weil meine Frau selbst auch wenig trinkt, mein ältester und bester Freund hatte ebenfalls aufgrund von (harmlosen) Magenproblemen kürzergetreten. Insofern, niemand fand das wirklich komisch. Natürlich merke ich im weiteren Umfeld, dass man manchmal als Spaßverderber gilt. In gewisser Weise ist Alkohol nach wie vor die einzige Droge, für die man sich gelegentlich rechtfertigen muss, wenn man sie nicht nimmt. Leute sagen: Bist du krank? Oder bei meiner Frau: Bist du schwanger?

Wieviel Alkohol ist gesund?

sanego: Was raten Sie Menschen, die bisher nicht auf Alkohol verzichten möchten?

Bas Kast: Wer nicht verzichten will, sollte einfach wissen, dass er oder sie bei einem Konsum von mehr als 2 Drinks pro Woche damit rechnen muss, dass das Risiko für Krebs und viele andere Krankheiten steigt. Natürlich ist Alkohol für viele auch ein Genuss, und es geht mir nicht darum, irgendwem irgendetwas zu verbieten. Aber die Voraussetzung für eine bewusste Entscheidung gehört für mich dazu, der Realität ins Auge zu sehen und die Fakten zu kennen. Mir geht es um Aufklärung. Wie jemand mit diesen Fakten umgeht und hier zu einer persönlichen Abwägung kommt, bleibt jedem selbst überlassen.

Autoreninformation

Elisabeth Maußner, Medizinische Redakteurin

Elisabeth Maußner

Medizinische Redakteurin

Elisabeth Maußner ist studierte Journalistin und schreibt bei der ärzte.de MediService GmbH & Co. KG seit 2017 zu medizinischen Themen. Ihr Ziel: komplexe Zusammenhänge und wissenschaftliche Hintergründe einfach und für jeden verständlich auszudrücken. Die erfahrene Autorin hat bereits über 400 Artikel zu Gesundheits- und Medizinthemen verfasst, die u.a. auf aerzte.de, sanego.de und arzttermine.de veröffentlicht wurden.

Außerdem durfte sie Erfahrung beim Radio und beim Produzieren von Videos sammeln.

Persönlich interessiert sie sich insbesondere für Kinder- und Frauengesundheit, eine ausgewogene, intuitive Ernährung und die Digitalisierung im Gesundheitswesen.

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