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Wie können Sie Ernährungsgewohnheiten ändern? Ernährungsberaterin Katharina Miedzinska-Baran im Interview

Von: Elisabeth Maußner

Aktualisiert: 27.10.2025

Lesezeit: 10 Min.

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Ein Frau räumt Gemüse aus einem Karton in ihre Küche.
Die Wahl der richtigen Lebensmittel ist ein erster Schritt für eine ausgewogene Ernährung. | © japolia - stock.adobe.com

Sie wissen wie gesunde Ernährung aussieht, fallen aber doch immer wieder in alte Gewohnheiten zurück? Damit sind Sie nicht allein. Einmal erlernte Ernährungsgewohnheiten zu ändern, kann eine große Herausforderung sein, so Ernährungsberaterin Katharina Miedzinska-Baran. In ihrem neuen Buch „Food Body Peace“ geht es deshalb darum, ein gesundes Essverhalten zu finden, das zum eigenen Alltag passt. Doch wie schaffen wir es, diesen Plan auch einzuhalten?

"Food Body Peace" ist bei folgenden Shops erhältlich:

Das hat uns Katharina Miedzinska-Baran im Interview erklärt.

Darum fällt Ihnen gesunde Ernährung so schwer

sanego: Wir wissen zumindest grob wie gute Ernährung aussieht. Statt das gelernte umzusetzen, haben wir aber nur ein schlechtes Gewissen. Warum ist das so?

Katharina Miedzinska-Baran: Eine wichtige Ursache für das typische schlechte Gewissen beim Essen ist das Einteilen von Lebensmitteln in „gesund (= gut)“ und „ungesund (= schlecht)“. Dieses Kategorisieren wird oftmals bereits in der Kindheit vermittelt und angelernt, gleichzeitig bleibt eine genaue Definition dessen, was ein Lebensmittel eigentlich „gesund“ oder „ungesund“ „macht“ aus.

Im Grunde gibt es auch keine ungesunden oder gesunden Lebensmittel, denn kein Lebensmittel liefert alle vom Körper benötigten Nährstoffe. Deswegen ist es wichtig, auf eine ausgewogene Ernährung zu achten, die nährstoffreich, bunt und abwechslungsreich ist und den Körper auf diese Weise mit allem versorgt, was er benötigt.

Das Einteilen von Lebensmittel in „gesund = gut“ und „ungesund = schlecht“ verursacht Verwirrung – auch wenn uns dies womöglich nicht immer bewusst ist. Lassen wir mal beiseite, dass Essen nicht als Bestrafung oder Belohnung genutzt werden sollte – doch wäre es gemäß der Logik „gesund = gut und ungesund = schlecht“ nicht schlüssiger, einem Kind eine Portion Paprika anstatt Schokolade anzubieten, wenn es endlich sein Zimmer aufgeräumt hat?

Und ebenso verursacht dieses Einteilen unendlichen Druck, vor allem dann, wenn wir etwas essen, was als „ungesund“ gilt. Dieses „ungesunde“ Essen unterliegt in der Folge oftmals selbstauferlegten Verboten, was das Verlagen nach den jeweiligen Lebensmitteln ja nicht verschwinden, sondern zumeist nur wachsen lässt – und schon befindet man sich in einem Teufelskreis aus schlechtem Gewissen, Verboten, wachsendem Verlagen, zügellosem Zugreifen und der nächsten Diät.

Ein wesentlich entspannterer Zugang zum Essen besteht darin, sich nichts zu verbieten und in Maßen auch das zu essen, was einem Freude bereitet. Auf diese Weise kann man wachsendem Verlagen, frustrierenden Situationen und Kontrollverlusten gezielt vorbeugen.

sanego: Warum fallen wir auf „Wundermittel“ wie Apfelessig trinken, Vitaminshakes oder Detox-Tage, herein?

Katharina Miedzinska-Baran: Derartige „Wundermittel“ vermitteln die Aussicht auf eine schnelle Lösung für ein oftmals komplexes Problem. Nicht selten besteht die Ansicht, dass eine dauerhafte Umstellung auf eine ausgewogene Ernährung zu schwierig und langwierig ist, was das eine oder andere „Wundermittel“ als eine willkommene Abkürzung erscheinen lässt – wobei eine solche in dieser Form eben nicht existiert.

Abhängig davon wie die Ernährung zuvor ausgesehen hat und welche Ernährungsprobleme vorliegen, kann eine Ernährungsanpassung oder -umstellung natürlich ein längerer Prozess sein, der auch mit Herausforderungen verbunden ist, keine Frage. Doch letztlich ist es das Ziel einer jeden Ernährungsänderung, sich eine Ernährungsweise anzueignen, die zu den eigenen Bedürfnissen, zum eigenen Geschmack und Alltag passt und ein Leben lang bestehen bleibt – und ein solcher Prozess benötigt einfach seine Zeit. Und lässt sich nicht durch einen Shake oder ein anderes Wundermittel ersetzen.

Katharina Miedzinska-Baran

ist Ernährungsberaterin und Diätologin in Wien. In ihrer Praxis begleitet Sie insbesondere Menschen mit Erkrankungen (Diabetes, Fettstoffwechselstörung, Adipositas) dabei, den Weg zu einer ausgewogenen und gesundheitsfördernden Ernährung zu finden.

Das ist bei der Ernährung wirklich wichtig

sanego: Ernährungstrends und Empfehlungen ändern sich schnell: Worauf sollte ich bei der Ernährung wirklich achten?

Katharina Miedzinska-Baran: Die Basis einer ausgewogenen Ernährung, egal ob omnivore, vegetarische oder vegane Kost, bilden mehrere Portionen Gemüse und, wenn vertragen, Obst am Tag. Es ist empfehlenswert, dass Gemüse und/oder Obst Bestandteil einer jeden Mahlzeit sind. Zudem ist es wichtig, mehrere Portionen an kohlenhydratreichen Lebensmitteln zu essen, optimalerweise in der Vollkornvariante (z. B. Haferflocken, Vollkornbrot, Quinoa), und bei jedem Essen auf eine Proteinquelle zu achten, beispielweise in Form von Hülsenfrüchten, Milchprodukten oder Eiern. Fettreiche Lebensmittel wie Butter oder pflanzliche Öle sollten sparsam zum Einsatz kommen, empfehlenswert sind zwei Portionen täglich, bei Öl entspricht eine Portion einem Esslöffel.

Allgemein ist es ratsam, frische Lebensmittel zu bevorzugen, wobei verarbeitete Lebensmittel keinesfalls grundlegend schlecht oder zu verteufeln sind. Ebenso ist es von Vorteil, pflanzlichen Lebensmitteln den Vorzug zu geben, beispielsweise öfter Hülsenfrüchte anstatt Fleisch zu essen oder bevorzugt mit pflanzlichen Ölen wie Rapsöl anstatt mit Butter zu kochen.

Und last, but not least: Fettärmere Zubereitungsarten wählen, etwa dünsten, dämpfen oder in Wasser kochen anstatt zu panieren oder zu frittieren.

sanego: Wie kann ich schlechte Empfehlungen erkennen?

Katharina Miedzinska-Baran: Weniger günstige Empfehlungen sind oftmals restriktiv, starr und verallgemeinernd, beispielsweise, wenn nahegelegt wird auf eine bestimmte Lebensmittel- oder Nährstoffgruppe zu verzichten, zu bestimmten Uhrzeiten (nicht) zu essen oder täglich ganz bestimmte Lebensmittel zu verzehren.

Ernährung wird von verschiedenen Faktoren geprägt, darunter körperliche Bedürfnisse, individuelle geschmackliche Vorlieben und Abneigungen, kulturelle Faktoren, der Berufs- und Familienalltag und viele mehr. Es gibt keine „One Size Fits All“-Lösung, weswegen Empfehlungen, die sich an Trends orientieren, starre Pläne vorgeben oder ganze Lebensmittel- oder Nährstoffgruppen auslassen oftmals mehr als fragwürdig sind.

sanego: Was sind nach ihrer Erfahrung die größten Ernährungsfehler?

Katharina Miedzinska-Baran: In Bezug auf weniger günstige Essgewohnheiten ist es wichtig zwischen dem Essverhalten und der Lebensmittelwahl zu unterscheiden.

Ich denke, dass man sich selbst nichts Gutes tut, wenn man die eigene Ernährung stetig dem eigenen Aussehen unterwirft, beispielsweise um (schnell) abzunehmen oder Muskulatur aufzubauen. Es ist wesentlich zielführender, die eigene Ernährung am Wohlergehen des eigenen Körpers auszurichten. Wir sollten uns viel seltener fragen, ob ein bestimmtes Lebensmittel eine Gewichtzunahme fördert, eine Gewichtsabnahme blockiert oder zum Muskelaufbau beiträgt und uns stattdessen viel öfter die Frage stellen, ob ein jeweiliges Essen ausreichend Makronährstoffe und wertvolle Energie liefert, ob es reich an Mikronährstoffen ist, ob es gut zu verdauen ist und ausreichend sättigt.

Ebenso beobachte ich häufig, dass sich viele nicht ausreichend Zeit nehmen, um in Ruhe zu essen oder in der Eile Ernährungsentscheidungen treffen, die im Nachhinein im Magen liegen.

In Bezug auf die Lebensmittelwahl ist sicherlich ein zu geringer Anteil an Gemüse, Hülsenfrüchten und anderen pflanzlichen Lebensmitteln im Essalltag ein weit verbreitetes Problem.

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Gesunde Ernährungsgewohnheiten – so gelingt´s

sanego: Wo sollte ich anfangen, wenn ich gesunde Ernährungsgewohnheiten in meinen Alltag integrieren möchte?

Katharina Miedzinska-Baran: Ein guter Anfang, um die Ernährung dauerhaft neu auszurichten ist sicherlich die Auseinandersetzung mit den eigenen Bedürfnissen beim Essen und den bestehenden Gewohnheiten.

Beispielsweise ist es nicht zielführend, sich vorzunehmen von einen Tag auf den nächsten absolut nichts Süßes mehr zu essen, wenn man Süßwaren gerne mag und diese bislang ein wichtiger Bestandteil des Essalltags waren. In diesem Fall ist es sinnvoll, die eigenen Essgewohnheiten ein paar Tage lang zu beobachten, um zu erkennen, in welchen Situationen und wie oft am Tag man tatsächlich Süßwaren isst, ob es die eine oder andere Situation gibt, in der man rein aus Gewohnheit auf Süßes zurückgreift, obwohl man eigentlich getrost darauf verzichten könnte und ob es Situationen gibt, in denen Süßwaren genutzt werden, um von bestimmten Gefühlen wie Langweile oder Traurigkeit abzulenken.

Ist man sich erstmals im Klaren über die eigenen Bedürfnisse und Muster, kann man beginnen Änderungen in die Wege zu leiten, etwa indem man die eine oder andere Portion Süßes konsequent durch ein Stück frisches Obst und eine kleine Handvoll Nüsse ersetzt, bewusst versucht andere Lösungen zu finden, um mit negativen Emotionen klarzukommen und Süßes in jenen Situationen, in denen man es bewusst essen möchte beibehält und genießt.

Ein solches bedürfnisorientiertes Vorgehen beugt Situationen vor, in denen nach einer Phase des strikten Verzichts wieder zügellos zugegriffen wird. Und es eröffnet die Möglichkeit, die eigenen Bedürfnisse beim Essen besser zu verstehen und schrittweise zu mehr Ausgewogenheit im Essalltag zu finden.

sanego: Wie kann ich eine Verbindung zu meinem Körper und Sättigungsgefühl finden?

Katharina Miedzinska-Baran: Ein wichtiger erster Schritt ist es, zu versuchen regelmäßig in Ruhe und ohne Ablenkung zu essen – auch, wenn der Berufs- und Familienalltag stressig ist. Wer langsam isst, gut kaut und beim Essen präsent ist, nimmt sein Sättigungsempfinden eher wahr als jemand, der sein Essen hastig herunterschlingt oder nebenbei am Smartphone liest oder fernsieht.

Wenn man dazu neigt, schnell zu essen, kann man regelmäßig versuchen jeden Bissen bewusst öfter zu kauen oder während des Essens bewusst kurze Pausen zu machen. Dies kann helfen Sättigung besser wahrzunehmen und so auch einem möglichen Überessen vorzubeugen. Das Sättigungsgefühl stellt sich in der Regel erst 20 Minuten oder später nach Beginn einer Mahlzeit ein. Wer sein Essen hastig isst, beraubt sich oftmals selbst der Möglichkeit das eigene Sättigungsgefühl wahrzunehmen. Nicht selten wird in so einer Situation noch eine weitere Portion gegessen, obwohl der Körper einige Minuten später gewiss Sättigung gemeldet hätte.

Wenn man dazu neigt, das Sättigungsgefühl bewusst zu übergehen und regelmäßig nicht mit dem Essen aufhören kann, kann es ein erster wichtiger Schritt sein, das Besteck beiseitezulegen, durchzuatmen und sich zu fragen, wieso man eigentlich weiteressen möchte. Fragen wie „Wie fühlt es sich für mich an satt zu sein, wie fühlt es sich an voll zu sein?“, „Wieso möchte ich weiteressen?“, „Wie werde ich mich fühlen, wenn ich jetzt aufhöre zu essen?“, „Wie wird es mir gehen, wenn ich jetzt weiteresse, obwohl ich satt bin?“ und „Welchen Vorteil habe ich davon, wenn ich jetzt trotz Sättigung weiteresse?“ können ein Anfang sein, um dem Essverhalten zu einer neuen Ausrichtung zu verhelfen.

sanego: Wie gehe ich mit dem Überangebot und den Versuchungen um?

Katharina Miedzinska-Baran: Wir können das, was von außen auf uns einwirkt nicht beeinflussen. Aber wir können sehr wohl dazu beitragen, dass es uns nicht kontrolliert. Etwa indem wir uns zu Hauptmahlzeiten satt essen, mit ausreichend Gemüse, einer Portion an kohlenhydratreichen Lebensmitteln und einer Proteinquelle. Wer angenehm gesättigt ist, hat von Haus aus ein geringeres Bedürfnis nach zucker- und fettreichen Snacks.

Bei kohlenhydratreichen Lebensmitteln ist es zudem von Vorteil, auf die Vollkornvariante zurückzugreifen, beispielsweise gröberes Vollkornbrot anstelle gewöhnlicher Weißmehlprodukte oder Haferflocken anstatt einer fertigen Müslimischung zu wählen. Vollkornprodukte wirkten sich günstig auf den Blutzuckerspiegel aus, was wiederum Einfluss auf das Snackbedürfnis hat.

Zudem empfehle ich immer, sich nichts zu verbieten. Verbote fördern Verlagen. Wer bewusst und in Maßen das einplant, was ansonsten als Versuchung wahrgenommen wird, vermeidet Situationen, in denen er etwas widerstehen muss, was letztlich oftmals im Kontrollverlust endet.

Diese Tipps für eine gesunde Ernährung können zusätzlich helfen

sanego: Kann ich mich von gesellschaftlichen Schönheitsnormen lösen?

Katharina Miedzinska-Baran: Ich bin mir nicht sicher, ob wir uns davon lösen können, da gesellschaftliche Schönheitsnormen allgegenwärtig sind, sei es in sozialen Medien, auf Werbeplakaten oder in Zeitschriften. Doch jeder einzelne kann versuchen, sich davon zu distanzieren und darauf achten die eigenen Ernährungsentscheidungen nicht konstant dem eigenen Aussehen unterzuordnen. Sei es, indem man sich beim Blick in den Spiegel nicht abwertet und stattdessen dankbar ist, dass der eigene Körper funktioniert; indem man Aussagen wie „Sie ist/Ich bin dick geworden“ vermeidet, besonders auch in der Gegenwart von Kindern, die derartiges verinnerlichen; indem man seine Vergleichspunkte hinterfragt und nicht wahllos in sozialen Medien herumscrollt; oder indem man das eigene Essen bewusst nicht danach wählt, ob es womöglich zu viele Kalorien enthält, sondern danach, ob es ausreichend Nährstoffe liefert und schmeckt.

sanego: Wenn ich nur eine Sache für eine gute Ernährung umsetzen könnte: Was würden Sie mir raten?

Katharina Miedzinska-Baran: Achten Sie darauf, dass sich Ihr Teller bei Mahlzeiten etwa zur Hälfte aus Gemüse und zu jeweils einem Viertel aus einer Kohlenhydrat- und einer Proteinquelle zusammensetzt.

sanego: Gibt es abschließend etwas zu ausgewogener Ernährung, dass jede(r) wissen sollte?

Katharina Miedzinska-Baran: Bei einer ausgewogenen Ernährung werden alle Lebensmittel gegessen. Wichtig ist, dass das Verhältnis der einzelnen Lebensmittel zueinander passt – während Gemüse, Obst, kohlenhydrat- und proteinreiche Lebensmittel mehrmals täglich gegessen werden sollten, ist bei Süßem und Fettreichem Sparsamkeit gefragt. Es ist jedoch nichts verboten. Verbote, wie etwa bei Diäten, fördern Verlangen – und sorgen so für Spannungen in der eigenen Beziehung zum Essen.

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