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/ Besser durch die Allergiesaison: Orale Antihistaminika wie Cetrizin, Loratadin und Bilastin im Vergleich

Besser durch die Allergiesaison: Orale Antihistaminika wie Cetrizin, Loratadin und Bilastin im Vergleich

Von: Linda Künzig

Veröffentlicht: 09.05.2025

Lesezeit: 6 Min.

Apotheke | Wirkstoffe

Ein Frau sitzt in einer Wildblumenwiese und putzt sich die Nase.
Wer Heuschnupfen hat, greift gerne zu oralen Antihistaminika. | © Robert Kneschke - stock.adobe.com

Der Griff zur Allergietablette ist oft die erste Maßnahme, wenn die Augen tränen oder die Nase läuft. Doch Antihistaminikum ist nicht gleich Antihistaminikum. Mit jeder neuen Generation haben sich Wirkung, Verträglichkeit und Alltagstauglichkeit verbessert. Wer die Unterschiede kennt, kann gezielter entscheiden, welches Präparat wann am besten passt. Hier lesen Sie, worauf es bei den verschiedenen Generationen oraler Antihistaminika ankommt – und was sie jeweils besonders macht.

Was ist eine Allergie?

Bei einer Allergie reagiert Ihr Immunsystem übertrieben auf Stoffe, die für andere Menschen gänzlich harmlos sind – etwa Pollen, Hausstaub oder bestimmte Nahrungsmittel. Die Folge sind typische Symptome wie Niesen, Hautreizungen oder Atemprobleme. Doch was passiert dabei eigentlich im Körper? Eine allergische Reaktion entwickelt sich in zwei Schritten:

  1. Sensibilisierung: Beim ersten Kontakt erkennt das Immunsystem den Stoff als „fremd“, bildet passende Antikörper vom Typ IgE und speichert sie. Anzeichen einer Allergie treten dabei noch nicht auf.

  2. Reaktion: Kommt der Körper erneut mit dem Allergen in Kontakt, reagieren die gespeicherten IgE-Antikörper auf bestimmten Abwehrzellen sofort. Sie schütten Botenstoffe wie Histamin aus – das führt zu den typischen Beschwerden wie Niesen, Juckreiz, Hautausschlag oder Husten.

Häufige Auslöser im Überblick

Allergien zählen zu den häufigsten chronischen Erkrankungen: Über 30 Prozent der Erwachsenen und rund 20 Prozent der Kinder sind betroffen. Auslöser gibt es viele – laut Deutschem Allergie- und Asthmabund mehr als 20.000:

  • Pollen: Gräser, Bäume, Kräuter

  • Hausstaubmilben: überwiegend ihre Ausscheidungen

  • Tierhaare: besonders von Katze und Hund

  • Nahrungsmittel: etwa Nüsse, Milch, Eier, Obst

  • Insektengifte: Bienen oder Wespen

  • Kontaktstoffe: Nickel, Duftstoffe, Latex

Allergiebehandlung: Drei Schritte, die helfen

Allergien sollten Sie nicht auf die leichte Schulter nehmen. Aus einem einfachen Heuschnupfen kann sich bei jeder vierten betroffenen Person ein allergisches Asthma entwickeln. Die Behandlung ruht auf drei Säulen: Auslöser meiden, Ursache behandeln, Symptome lindern:

  1. Auslöser meiden (Allergenkarenz)
    Der wichtigste Schritt: den Kontakt mit dem Allergen möglichst vermeiden. Das entlastet den Körper und verhindert neue Reizungen – ganz ohne unerwünschte Begleiterscheinungen.

  2. Ursache behandeln (Hyposensibilisierung)
    Durch eine Hyposensibilisierung lernt das Immunsystem, das Allergen nicht mehr als Bedrohung wahrzunehmen. Dafür nehmen Betroffene regelmäßig kleine Mengen des Auslösers ein oder erhalten sie als Injektion. Die Therapie erstreckt sich über mehrere Jahre und trägt dazu bei, Allergiesymptome auf lange Sicht zu verringern.

  3. Beschwerden lindern
    Antihistaminika zum Einnehmen, Nasensprays oder Augentropfen helfen, akute Symptome schnell zu kontrollieren – ergänzend zur Allergenvermeidung oder während der Hyposensibilisierung.

Symptome effektiv lindern mit oralen Antihistaminika

Zur schnellen Linderung allergischer Symptome stehen viele freiverkäufliche Mittel zur Verfügung. Einen wichtigen Platz nehmen dabei orale Antihistaminika ein. Sie kommen seit fast 100 Jahren zum Einsatz und wurden bisher stetig weiterentwickelt. Antihistaminika ähneln dem körpereigenen Botenstoff Histamin, der allergische Reaktionen im Körper steuert. Sie blockieren gezielt die Histamin-H1-Rezeptoren und mildern so Juckreiz, Niesen oder tränende Augen. H1-Antihistaminika lassen sich in drei Generationen einteilen – mit jeweils eigenen Merkmalen in Bezug auf Wirksamkeit und Verträglichkeit:

H1-Antihistaminika der 1. Generation: wirksam, aber müde machend

Die Entwicklung der ersten Antihistaminika in den 1930er-Jahren war ein echter Durchbruch für Menschen mit Allergien. Gleichzeitig offenbarte sich eine Besonderheit: Die Wirkstoffe überwinden die Blut-Hirn-Schranke und wirken dadurch nicht nur antiallergisch, sondern auch im zentralen Nervensystem. Häufig verursacht diese Eigenschaft Müdigkeit, Benommenheit und Konzentrationsstörungen, die den Alltag spürbar beeinträchtigen. Heute finden viele dieser älteren Wirkstoffe vorwiegend bei Schlafstörungen, Übelkeit oder Reisekrankheit Anwendung – bei Allergien kommen sie dagegen kaum noch zum Einsatz.

  1. Dimetinden
    Ein typischer Vertreter dieser Wirkstoffgruppe ist Dimetinden. Es wirkt zuverlässig gegen Juckreiz, zum Beispiel bei Nesselsucht, Insektenstichen oder Windpocken im Kleinkindalter. Der sedierende Effekt und das höhere Risiko für unerwünschte Auswirkungen auf Herz-Kreislauf- oder Magen-Darm-Bereich begrenzen jedoch den Einsatz im Alltag.

  2. Clemastin
    Auch Clemastin zählt zu den Antihistaminika der 1. Generation. Es wirkt stark beruhigend und führt häufig zu ausgeprägter Müdigkeit. Clemastin wird heute vorwiegend in der Notfallmedizin eingesetzt – etwa bei akuten allergischen Reaktionen oder Nesselsucht-Schüben.

Dimetinden und Clemastin eignen sich aufgrund der müde machenden Eigenschaft nicht für die langfristige Behandlung allergischer Beschwerden im Alltag.

Was ist die Blut-Hirn-Schranke?

Die Blut-Hirn-Schranke wirkt wie ein natürlicher Filter zwischen Blutkreislauf und Gehirn. Medikamente, die diese Schranke überwinden, können direkt im zentralen Nervensystem wirken – gewollt oder als unerwünschter Nebeneffekt.

H1-Antihistaminika der 2. Generation: bewährt und meist gut verträglich

Im Gegensatz zu älteren Wirkstoffen überwinden Antihistaminika der 2. Generation die Blut-Hirn-Schranke nur in sehr geringem Maße. Dadurch bleiben die beruhigenden Begleiterscheinungen weitgehend aus, und die Substanzen gelten als deutlich verträglicher im Alltag. Müdigkeit tritt – wenn überhaupt – nur noch vereinzelt auf:

  1. Cetirizin
    Einer der am häufigsten eingesetzten Wirkstoffe der 2. Generation ist Cetirizin. Es wirkt schnell und zuverlässig gegen typische allergische Symptome wie Niesen, Juckreiz oder Hautausschläge, kann in Einzelfällen aber dennoch zu leichter Müdigkeit führen. In solchen Fällen empfiehlt sich die Einnahme am Abend, um Auswirkungen auf den Tag möglichst gering zu halten.

  2. Loratadin
    Nach der Einnahme wird Loratadin zunächst in der Leber in seine wirksame Form umgewandelt. Dadurch setzt die Wirkung etwas verzögert ein, die Substanz gilt jedoch als besonders mild und gut verträglich.

  3. Bilastin
    Ein moderneres Antiallergikum innerhalb dieser Klasse ist Bilastin. Es wirkt schnell, verursacht kaum Müdigkeit und wird vom Körper ohne Umwandlung direkt aufgenommen. In klinischen Studien zeigte sich Bilastin als gut verträglich – auch bei längerer Einnahme. Nehmen Sie das Antiallergikum jedoch nicht zusammen mit Nahrungsmitteln, Grapefruit-Saft oder anderen Fruchtsäften ein, da diese die Wirkung von Bilastin verringern können.

Bilastin und Nahrungsmittel – wie kombinieren?

Um eine Wirkbeeinträchtigung zu vermeiden, sollten Sie nach der Einnahme von Bilastin eine Stunde warten, bevor Sie Nahrungsmittel oder Fruchtsäfte zu sich nehmen. Wenn Sie diese bereits konsumiert haben, halten Sie zwei Stunden Abstand, bevor Sie Bilastin einnehmen.

Alle drei Wirkstoffe eignen sich gut zur Behandlung von Heuschnupfen, Nesselsucht oder allergischen Hautreaktionen – insbesondere dann, wenn eine Behandlung über den Tag hinweg ohne Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit gewünscht ist.

H1-Antihistaminika der 3. Generation: weniger Wirkstoff bei gleichem Effekt

Antihistaminika der 3. Generation sind gezielte Weiterentwicklungen der 2. Generation. Sie enthalten ausschließlich den wirksamen Teil des Moleküls. Daher benötigen sie nur eine geringe Wirkstoffmenge, um die gleiche antiallergische Reaktion zu erzielen. Gleichzeitig zeigen sie eine sehr gute Verträglichkeit und verursachen in der Regel keine Müdigkeit.

  1. Levocetirizin
    Hierbei handelt es sich um die aktive Form von Cetirizin. Die Ursprungssubstanz liegt als sogenanntes Racemat vor – eine Mischung zweier spiegelbildlicher Moleküle. Nur eines davon besitzt antiallergische Eigenschaften. In Levocetirizin ist genau dieses aktive Molekül isoliert, wodurch schon die halbe Dosis ausreicht.

  2. Desloratadin
    Der aktive Bestandteil von Loratadin ist Desloratadin. Da der Körper diesen Wirkstoff nicht mehr umwandeln muss, setzt die Wirkung schneller ein – ebenfalls bei geringerer Dosierung.

Beide Wirkstoffe sind rezeptfrei erhältlich und eignen sich gut zur Selbstbehandlung leichter allergischer Beschwerden wie Heuschnupfen oder Nesselsucht – ohne die sedierenden Eigenschaften älterer Präparate.

Wichtige Anwendungshinweise für eine sichere Therapie

Dimetinden

Clemastin

Loratadin

Cetirizin

Bilastin

Desloratadin

Levocetirizin

Generation

1

1

2

2

2

3

3

Wirkeintritt (in Stunden)

0,5

0,5 bis 4

3,4

0,7

1,3

0,5 bis 1,0

0,5 bis 0,7

Wirkdauer: (in Stunden*)

ca. 8

10 bis 12; in manchen Fällen sogar 24

ca. 24

> 24

ca. 24

> 24

ca. 24

Nebenwirkung: sedierend

++

++

-

+

+

-

-

Alter:

ab 1 Jahr

ab 6 Jahren

ab 2 Jahren

ab 2 Jahren

ab 6 Jahren

ab 12 Jahren

ab 6 Jahren

++ stark                       -+ schwach                 - Effekt in der Regel nicht vorhanden; in Einzelfällen aber nicht völlig auszuschließen
* Tabletten/Dragees ohne verzögerte Wirkstofffreisetzung

Autoreninformation

Linda Künzig, Apothekerin und freie medizinische Redakteurin

Linda Künzig

Apothekerin und freie medizinische Redakteurin

Linda Künzig ist seit 18 Jahren Apothekerin und hat sich auf dem Gebiet Homöopathie und Naturheilverfahren weitergebildet.

Neben ihrer Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke arbeitet sie seit einigen Jahren als freie Fachautorin, spezialisiert auf die Erstellung pharmazeutischer Texte. Außerdem beantwortet sie als Online-Expertin alle Fragen rund um das Thema Arzneimittel. 

Seit August 2024 schreibt sie für ärzte.de MediService GmbH & Co. KG und bringt dort ihr umfassendes Fachwissen und ihre Expertise ein.

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