Wussten Sie, dass die Menopause bei einigen Frauen schon in den 30ern beginnt, obwohl der Durchschnitt zwischen 45 und 55 Jahren liegt? Auch die Länge des weiblichen Zyklus kann stark variieren, oft mehr als nur die bekannten 28 Tage. Frauengesundheit wirft viele Fragen auf: Wann genau beginnen die Wechseljahre? Wie beeinflussen Hormone unser Wohlbefinden? Und warum gibt es so viele Mythen, die uns verunsichern?
Genau diese Gedanken haben Gynäkologin und Biologin Dr. med. Dorothee Biener dazu bewegt, ihr Buch "Wir Superheldinnen!" zu schreiben. Warum Frauengesundheit immer noch vernachlässigt wird, weshalb Endometriose und PCOS mehr Aufmerksamkeit brauchen und wie Frauen lernen, ihren Körper bewusst wahrzunehmen, verrät sie uns im Interview.
sanego: Sie haben ein Buch über den weiblichen Körper und Frauengesundheit geschrieben. Was war der Auslöser für Sie, sich so intensiv mit diesem Thema auseinanderzusetzen?
Dr. med. Dorothee Biener: Wir brauchen mehr gutes Wissen über den weiblichen Körper. Nicht nur trockene Fakten, sondern wertvolle und wertschätzende Informationen zu allen Aspekten des Frauenlebens. In Gesprächen habe ich festgestellt, wie groß dieser Bedarf ist, bei meinen Patientinnen, meinen Freundinnen und Freunden, aber auch bei mir. Mit meinem Buch möchte ich gern diesem Bedarf ein wenig begegnen und dabei zeigen, wie wunderbar der Frauenkörper ist, wie großartig er ein Leben lang funktioniert und wie sehr wir uns darüber freuen können.
sanego: Frauengesundheit wird häufig in der Forschung vernachlässigt und es gibt wenig Investitionen in dieses Feld. Was glauben Sie, warum das so ist und was könnte sich Ihrer Meinung nach ändern?
Dr. med. Dorothee Biener: Über Jahrzehnte wurden in der Forschung nur Männer berücksichtigt, teils aus einer gesellschaftlichen Fokussierung auf das männliche Geschlecht, teils aus Bequemlichkeit, teils um Frauen im gebärfähigen Alter vor Risiken zu schützen. Dadurch wurde viel zu wenig Wissen über die weibliche Seite der Medaille gewonnen, was bis heute zu großen Versorgungslücken und Fehlbehandlungen bei Frauen führt. Langsam ändert sich das, auch weil wir sehen, was für ein großer Fehler es ist, geschlechtsspezifische Aspekte in der Medizin so vollständig zu vernachlässigen. Wir brauchen mehr Bewusstsein in Medizin und Forschung dafür, dass Frauengesundheit nicht dasselbe wie Männergesundheit oder allgemeine Gesundheit ist. Eine gezielte Forschungsförderung für Fragestellungen der Frauengesundheit ist eine Möglichkeit, hier Fortschritte zu erzielen, genau wie eine bewusste Ausbildung der Medizinstudierenden, die ja die Zukunft der Patientinnenversorgung in ihren Händen halten.
arbeitet nicht nur als Gynäkologin, sondern ist auch in der Forschung tätig, zum Beispiel zu Brustkrebs und Genverteilung. Neben der Erforschung des weiblichen Körpers schlägt ihr Herz für ihre Patientinnen und all diejenigen, die sich mit dem Thema Frausein auseinandersetzen wollen.
PCOS, Endometriose und zyklusbasiertes Training
sanego: Warum halten Sie es für so wichtig, gerade in der heutigen Zeit mehr über Themen wie PCOS, Zyklusstörungen und Endometriose zu sprechen?
Dr. med. Dorothee Biener: Weil sehr, sehr viele Frauen betroffen sind, Tendenz steigend. Und weil wir viel Leid, Schmerzen und unnötige Befundverschlechterungen vermeiden können, wenn die korrekte Diagnose frühzeitig gestellt und die Frau in die richtige Richtung begleitet wird. Umgekehrt können wir durch gutes, sachliches Wissen auch unnötige Ängste abbauen. Bei allem hilft es jeder Frau ungemein, wenn sie eine Vorstellung davon hat, was in ihrem Körper passiert, was normal ist und was auch nicht. Dafür muss sie aber wiederum wissen, wie PCOS, Endometriose und Zyklusstörungen aussehen können. Deshalb ist es so wichtig, dass wir jetzt offen darüber sprechen.
sanego: Welche Auswirkungen haben unregelmäßige Zyklen und Hormonstörungen auf die weibliche Gesundheit?
Dr. med. Dorothee Biener: Tatsächlich ist diese Frage nicht kurz mit einem Satz zu beantworten, da es viele unterschiedliche Zyklus- und Hormonstörungen gibt, die auf mannigfaltigen Ursachen beruhen und ganz verschiedenen Symptomen zeigen können. Auch ihre Konsequenzen sind ganz unterschiedlich, sodass man sich immer die betroffene Frau genau ansehen muss. Wichtig zu wissen ist aber, dass zahllose Stoffwechselvorgänge im weiblichen Körper eng miteinander verzahnt sind und so eine Zyklusstörung wie beispielsweise beim PCOS auch vielfältige Auswirkungen auf ganz andere Bereiche des Körpers wie den Zuckerstoffwechsel, aber auch die Stimmung haben kann. Hier hilft es, wenn eine Patientin sich selbst kennt, sich mit ihrer speziellen Hormonstörung auskennt und lernt, was gut für sie ist und wie sie sich selbst unterstützen kann, möglichst gesund zu leben.
sanego: In den letzten Jahren hat die Forschung zum Einfluss des Menstruationszyklus auf sportliche Leistung und Ernährung zugenommen. Was genau ist zyklusbasiertes Training und wieso ist es so wichtig?
Dr. med. Dorothee Biener: In den letzten Jahren ist unser Bewusstsein dafür gewachsen, dass die weiblichen Hormone Östrogen und Progesteron nicht nur den Zyklus steuern, sondern auch zyklische Auswirkungen auf viele andere Bereiche des Körpers haben. Beim zyklusbasierten Training und in der zyklusbasierten Ernährung versucht man, Trainingsplan und Nahrungszusammensetzung diesem Zyklusgeschehen anzupassen. Eine klare medizinische Evidenz für die Überlegenheit gegenüber anderen Trainingsplänen und Ernährungsempfehlungen gibt es bisher allerdings noch nicht. Ich würde jeder Frau grundsätzlich zu Bewegung und Sport raten, weil ich weiß, wie wichtig das für unser Wohlbefinden ist. Wir Menschen sind dafür gemacht, uns zu bewegen, und tun das im Allgemeinen viel zu wenig. Genauso wichtig ist eine ausgewogene, gesunde Ernährung. Um herauszufinden, was einer Frau im Laufe des Zyklus guttut, empfehle ich ihr ein Zyklustagebuch (auf Papier oder als App), in dem nicht nur die Periode und mögliche Beschwerden notiert werden, sondern in dem man zum Beispiel auch aufschreiben kann, wann man sich besonders fit fühlt und welches Training wann besonders gut funktioniert. Aber auch verschiedene Essensgewohnheiten und Bekömmlichkeiten können hier vermerkt werden. Nach einigen Zyklen (mindestens drei) kann man individuell schauen, ob und wo Frau von Anpassungen des Trainings und des Essens im Verlauf ihres Zyklus profitieren kann.

Von der Familienplanung zur Selbstfürsorge: Social Freezing und Gesundheitstipps
sanego: Eizellen einfrieren wird zunehmend auch für Frauen ohne Partner eine Option, um den Kinderwunsch auf später zu verschieben. Welche Faktoren sollten Frauen, die diesen Weg in Erwägung ziehen, beachten, und was würden Sie einer Single-Frau ohne Partner in Bezug auf das Thema raten?
Dr. med. Dorothee Biener: Ich finde Social Freezing eine tolle Option, weil sie Frauen den Druck nehmen kann, ihren Kinderwunsch in dem engen Zeitfenster zwischen grob gesagt 30 und 40 zu erfüllen. Nicht immer ist zu dieser Zeit der perfekte Partner da, manchmal gibt es auch berufliche oder private Gründe, die eine Schwangerschaft unmöglich machen. Man sollte sich aber bewusst machen, dass es sich beim Einfrieren von Eizellen um eine medizinische Behandlung handelt mit möglichen Risiken und Nebenwirkungen. Und ganz wichtig: Auch beim Social Freezing sind die Chancen auf eine spätere Schwangerschaft umso besser, je „jünger“ die Eizellen eingefroren werden. Daher würde ich einer Single-Frau raten, sich möglichst frühzeitig (ab Mitte Zwanzig) mit dieser Option auseinanderzusetzen und herauszufinden, ob es eine gute Möglichkeit für ihr Leben sein könnte. Denn dann kann sie eine gute, individuelle Entscheidung für sich und ihre Zukunft treffen.
sanego: Zum Schluss: Wenn Sie unseren Leserinnen drei Tipps mit auf den Weg geben könnten, um ihre Frauengesundheit zu fördern, welche wären das?
Dr. med. Dorothee Biener:
Liebe dich selbst, denn das ist das Beste, was du für dich tun kannst!
Entdecke dich und deinen Körper und sprich über das, was dir wichtig ist!
Bleib in Bewegung! Jeder Schritt zählt, denn Bewegung und Sport sind ein wahres Wundermittel für unseren großartigen Frauenkörper.