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Ayurveda Routinen für jeden Tag – Ayurveda-Expertin Helena Himmelsbach im Interview

Von: Nina Kischke

Veröffentlicht: 24.05.2024

Lesezeit: 7 Min.

Vorsorge | Tipps | Patientenwissen

Eine Nahaufnahme einer Flasche mit Korkverschluss, gefüllt mit orangeroter Flüssigkeit, die mit einem Etikett "Ayurveda" versehen ist. Die Flasche steht auf einem goldenen Teller, umgeben von Zimtstangen, Sternanis, Vanilleschoten und Kaffeebohnen, die eine warme und einladende Atmosphäre schaffen.
Ayurveda Routinen können in den Alltag mit integriert werden. | © Floydine - stock.adobe.com

Haben Sie schon einmal Erfahrungen mit Ayurveda gemacht? Als ganzheitliches System zählt es heute zu dem Bereich der traditionellen Alternativmedizin. Expertin Helena Himmelsbach vertieft dieses Thema in ihrem neuen Buch „Ayurveda Routinen für jeden Tag“. Dort gibt sie außerdem hilfreiche Tipps, die sich leicht in den Alltag integrieren lassen. Im folgenden Interview erfahren Sie mehr über die Grundprinzipien des Ayurveda und erhalten konkrete Ratschläge, wie Sie Ihr Wohlbefinden durch einfache Anpassungen steigern können.

sanego: Können Sie uns zu Beginn für alle Leser:innen kurz erklären, was Ayurveda ist?

Helena Himmelsbach: Ayurveda ist ein jahrtausendealtes, indisches Medizinsystem, das übersetzt so viel bedeutet wie „die Wissenschaft vom Leben“.  (Sanskrit) Im Fokus der Lehre stehen hierbei die drei Bioenergien Vata (Luft & Äther), Pitta (Feuer & Wasser) und Kapha (Erde & Wasser), die sich aus den fünf Elementen Erde, Feuer, Wasser, Luft und Äther zusammensetzen und jeweils entsprechende Eigenschaften aufweisen. Der Mensch wird als Mikrokosmos zum Makrokosmos betrachtet, was so viel bedeutet wie: Alles was im Großen abläuft, findet so auch im Kleinen in uns Menschen statt.

So besitzt jeder Mensch eine ureigene Kombination aus den drei Doshas Vata, Pitta, Kapha, die im Moment der Geburt feststeht. Dieses Gleichgewicht verändert sich im Laufe des Lebens durch Lebensumstände, Lebensführung, Ernährung, Vorlieben etc. wodurch sich häufig Ungleichgewicht bildet. Ayurveda ermutigt uns dazu, immer wieder in unser ureigenes Gleichgewicht zurückzufinden, um Störungen und Krankheiten zu vermeiden. Dabei gibt es zwar generelle Empfehlungen zur Vata-, Pitta- und Kapha-Balance, jedoch wird jedes Individuum auch tief in seiner (Lebens)-Situation betrachtet, wodurch sich eine Fülle äußerst individueller Empfehlungen für jeden einzelnen ergeben.

Helena Himmelsbach

ist Ayurveda-Expertin mit einer eigenen Praxis, in der sie Massagen, Ernährungsberatung und langfristige Begleitung anbietet. Sie unterstützt Menschen ganzheitlich durch Ernährungstipps, Stressmanagement und Routinen. Nach ihrem Asienwissenschaften-Studium ließ sie sich in Berlin zur Ayurveda-Therapeutin ausbilden und bildete sich kontinuierlich weiter, unter anderem durch Aufenthalte in Indien.

sanego: In welchen Bereichen kann Ayurveda besonders helfen?

Helena Himmelsbach: Eine besondere Stärke des Ayurveda ist das Thema Prävention. Denn es gibt eine Fülle von Routinen und Prinzipien, die wir im Alltag integrieren können, um es gar nicht erst zu einer Krankheit kommen zu lassen. Aus ayurvedischer Sicht betrachtet man Krankheiten im Grunde als Ungleichgewicht, welches sich oftmals – nicht immer - durch einfache Maßnahmen innerhalb von Lebensführung, Ernährung und Co. vermeiden lässt. Für den Krankheitsfall finden sich wiederum eine Fülle von Maßnahmen, um diese zu überwinden.

sanego: Ihr Buch empfiehlt Ayurveda Routinen für jeden Tag. Womit kann ich am besten beginnen, wenn ich Ayurveda mehr in meinen Alltag integrieren möchte?

Helena Himmelsbach: Mit Ayurveda können wir sofort beginnen. Ein erster Schritt ist bspw. das Reinigen der Zunge am Morgen direkt nach dem Aufstehen und bevor wir etwas trinken. Denn über Nacht bilden sich Ablagerungen auf der Zungenoberfläche, die aus ayurvedischer Sicht Abfallprodukte darstellen. Entfernen wir diese, bevor wir etwas trinken, so haben wir bereits einen Schritt der Reinigung unternommen. Traditionell kommt danach das Ölziehen, wofür wir einen TL Sesam- oder anderes Öl im Mund hin und herbewegen. Dieses sorgt laut Ayurveda für ein kräftiges Zahnfleisch und reinigt den Mundinnenraum.

Doch es gibt noch weitere Maßnahmen, die vielleicht weniger exotisch erscheinen, wie bspw. Essenspausen einhalten. Denn ein weiterer zentraler Punkt ist unser Verdauungsfeuer, Agni genannt. Brennt es gut, so können alle Abläufe gut vonstattengehen und der Mensch bleibt gesund. Wird es durch bspw. schwere Nahrungsmittel oder häufiges Snacken geschwächt, so entsteht dadurch das erste Ungleichgewicht, dass dann weitere Störungen mit sich bringen kann. Je nach Mahlzeit und Bewegungspensum empfiehlt Ayurveda 3-6 Stunden Pause. Und im besten Falle drei geregelte Mahlzeiten: Frühstück, Mittagessen, Abendessen.

sanego: Was raten Sie Lesern und Leserinnen, die sich schon intensiver mit Ayurveda beschäftigt haben?

Helena Himmelsbach: Wem Ayurveda bereits ein Begriff ist, die eigene Konstitution jedoch noch nicht bestimmt wurde, dem empfehle ich eine ayurvedische Konsitutionsanalyse bei einem Fachmann oder einer Fachfrau. Bestimmt kennen viele bereits die Konstitutionstests. Diese können jedoch nicht zwischen Prakriti = angeborener, unveränderlicher Konstitution & Vikriti = veränderliche Störung, die sich darauf setzt, unterscheiden. Wissen wir, dass wir bspw. ein feuriger Pitta-Typ sind und aktuell eine Kapha-Störung haben, so können wir zunächst das Kapha-Ungleichgewicht ins Lot bringen und uns danach an Pitta-balancierende Maßnahmen halten, um unsere Grundkonstitution im Gleichgewicht zu halten.

sanego: Ein ganzes Kapitel in Ihrem Buch widmet sich der ayurvedischen Ernährung. Diese sollte individuell auf die eigene Situation abgestimmt werden. Gibt es dennoch allgemeingültige Empfehlungen, die Sie unseren Lesern und Leserinnen mitgeben können?

Helena Himmelsbach: Ganz allgemeingültige Empfehlungen und Tipps in Bezug auf Ayurveda sind, wie oben bereits erwähnt, die geregelten Mahlzeiten. Darüber hinaus empfiehlt es sich, Rohkost und allgemein schwer verdauliche Kost wie Brote, tierisches Eiweiß, Eis etc. in der Zeit zwischen 10 und 14 Uhr zu essen, da in dieser Zeitspanne die feurige Pitta-Energie vorherrscht und unser Verdauungsfeuer, Agni, besonders stark brennt. Wem es möglich ist, mittags die Hauptmahlzeit zu sich zu nehmen, empfehle ich dies ebenso aus den oben genannten Gründen.

Ansonsten können wir den Morgen mit warmem, gekochtem Wasser oder auch Zitronenwasser (ein Glas warmes Wasser mit dem Saft einer halben Zitrone sowie einem TL Waldhonig) beginnen, um den Stoffwechsel anzukurbeln.

Frühstück könnte dann ein warmer Getreidebrei sein. Im besten Falle vermischen wir hierbei keine tierischen Eiweiße mit Obst, denn diese Kombination bringt Gärungsprozesse in Gang. Daher wird Obst im Ayurveda auch immer in Ghee (geklärter Butter) oder anderem Fett und mit Gewürzen angedünstet, um dieses leichter verdaulich zu machen.

Abends wird ebenfalls eher leicht bekömmliche Kost wie Suppen, Eintöpfe etc. empfohlen, um die am Abend schwache Verdauung nicht zu belasten und den Körper zu unterstützen. Essen wir am Abend pflanzlich und leicht, so führt dies oftmals automatisch zu einem tieferen und erholsameren Schlaf.

Der Buchumschlag von "Ayurveda Routinen für jeden Tag" von Helena Himmelsbach zeigt einen farbenfrohen Hintergrund mit abstrakten Aquarell-Illustrationen von Früchten und einer Lotusblume.
Buchcover Ayurveda Routinen für jeden Tag | © GU Verlag

sanego: Neben dem ayurvedischen Tagesplan empfehlen Sie auch einzelne Übungen in bestimmten Situationen, etwa gegen Schlafprobleme oder bei Erkältungen. Wie kann eine solche Übung aussehen?

Helena Himmelsbach: Im Ayurveda schauen wir immer, welches Dosha bei dem vorliegenden Ungleichgewicht zugrunde liegt bzw. außer Balance geraten ist. Bei Schlafproblemen kann dies natürlich verschiedene Ursachen haben. Entweder es liegt daran, dass die Mahlzeit zu schwer, zu spät oder zu groß ausgefallen ist und unser Körper mehr mit Verdauen, als mit Regenerieren beschäftigt ist. Oder aber wir gehen zu spät ins Bett und kommen damit in die aktive Pitta dominierte Zeit. In diesem Falle, bzw. ganz generell, empfehle ich das Zubettgehen bestenfalls vor 22 Uhr, um noch die Trägheit und Schwere der zuvor aktiven Kapha-Energien (18 Uhr bis 22 Uhr) „mitzunehmen“.

Es kann natürlich auch der Fall sein, dass wir vom Tag aufgedreht sind (aktive Vata-Energie) und unser System daher vor dem Schlafen gehen erst einmal beruhigen müssen. In diesem Falle empfehle ich bspw. eine kleine Fußmassage mit Öl, denn damit können wir uns wortwörtlich sehr gut erden und in die Beruhigung bringen. Auch sind ruhige Aktivitäten wie (Dankbarkeits-)Tagebuch schreiben, Meditation, Wechselatmung oder auch ein ruhiger Spaziergang nach dem Abendessen in der Natur hilfreich, um einen gesunden Schlaf zu fördern.

Bei Erkältungen gilt wieder der Check: Welches Ungleichgewicht liegt vor? Haben wir es mit einer Pitta-dominierten Halsentzündung zu tun, mit einer laufenden verschnupften „Kapha-Nase“ oder mit trockenem „Vata-Husten“?

Dementsprechend fallen danach die Empfehlungen aus. Allgemeingültig ist jedoch: viel Trinken, im besten Falle warmes Wasser, welches das Verdauungsfeuer stärkt und den Körper beim Kampf gegen Bazillen unterstützen kann. Auch Kräutertees etc. sind natürlich hilfreich. Die Kräuterauswahl findet dann wieder je nach vorliegender Störung statt. Ergänzend empfehle ich bei einer Erkältung unbedingt nur leichte, warme, gekochte und im besten Fall rein pflanzliche Kost zu essen und auch nur dann, wenn wirklich Hunger vorherrscht. Ansonsten belasten wir den Körper eher zusätzlich und verhindern eine schnelle Genesung.

sanego: Haben Sie zum Abschluss noch einen Rat, den Sie unseren Lesern und Leserinnen gerne mitgeben möchten?

Helena Himmelsbach: Nun hoffe ich natürlich, dass der ein oder die andere sich tiefer mit Ayurveda befassen möchte. Ich kann Sie an dieser Stelle nur ermutigen, einfach einmal loszulegen. Picken Sie sich ein oder zwei Dinge heraus, setzen Sie diese um und Sie werden schnell bemerken, dass sich eine Veränderung zeigt. Das kann sich in Form von mehr Energie, mehr Lebensfreude, einem tieferen Schlaf, einer geregelten Verdauung oder auf andere Weise zeigen.

Das Schöne am Ayurveda ist jedoch, dass wir sehr schnell Feedback von unserem Körper bekommen, wenn wir die Dinge umsetzen. Dies ermutigt uns dann im besten Falle dazu, immer weiter zu machen und noch mehr Ayurveda in unser Leben zu integrieren.

Autoreninformation

Nina Kischke

Medizinische Redakteurin

Seit dem Abschluss ihrer Ausbildung zur Medienkauffrau Digital und Print im Jahr 2022 ist Nina Kischke als Medizinische Junior Redakteurin bei der ärzte.de MediService GmbH & Co. KG angestellt. Außerdem studiert sie derzeit Medienmanagement an einer Fernuniversität.

Ihren Spaß an Medien und Marketing kann sie beim Schreiben für Portale wie aerzte.de, sanego.de oder arzttermine.de hervorragend mit dem Interesse an Gesundheitsthemen kombinieren. Sie trainiert in ihrer Freizeit im Fitnessstudio und beschäftigt sich daher auch außerhalb ihres Arbeitsalltags gerne mit dem Thema Ernährung und Fitness.

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