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Ubrogepant: Neuer Hoffnungsträger gegen Migräne-Vorboten

Von: Daniel Haag

Veröffentlicht: 19.05.2025

Lesezeit: 6 Min.

Symptome | Medikamente | Krankheiten

Junge Frau hält sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Schläfen, während leuchtende Blitze über ihrer Stirn Migräne symbolisieren – mögliche Linderung durch Ubrogepant.
Laut einer neuen Studie kann der Wirkstoff Ubrogepant Symptome in der Vorphase der Migräne lindern und dadurch auch die Kopfschmerzphase erträglicher machen. | © Erstellt mit ideogram.ai

Migräne ist mehr als nur ein intensiver Kopfschmerz. Viele Betroffene erleben bereits Stunden vor dem eigentlichen Schmerz eine sogenannte Prodromalphase. Diese ist gekennzeichnet durch Symptome wie Lichtempfindlichkeit, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und Nackenschmerzen. Bislang gibt es keine spezifische Behandlung, die auf diese Vorboten zugeschnitten ist. Eine aktuelle Studie aus dem Magazin Nature Medicine untersucht nun, ob das Medikament Ubrogepant, ein CGRP-Rezeptorantagonist, in dieser frühen Phase wirksam sein könnte.

Ubrogepant: So wirkt der CGRP-Rezeptorantagonist

Ubrogepant gehört zur Gruppe der sogenannten Gepante, die gezielt einen bestimmten Botenstoff im Körper blockieren. Bei einem Migräneanfall ist das der Botenstoff CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide). Dieser führt dazu, dass sich die Blutgefäße im Gehirn erweitern, Entzündungen entstehen und Schmerzsignale verstärkt weitergeleitet werden. Diese Prozesse tragen wesentlich zu den typischen Migränesymptomen bei.

Ubrogepant wirkt, indem es die Andockstellen (Rezeptoren) für CGRP blockiert. Dadurch kann CGRP seine Wirkung nicht entfalten, was die Erweiterung der Blutgefäße und die Entzündungsreaktionen reduziert. Infolgedessen werden die Schmerzsignale abgeschwächt, und der Migräneanfall kann gelindert oder sogar gestoppt werden.

Interessanterweise wirkt Ubrogepant hauptsächlich außerhalb des Gehirns, da es die sogenannte Blut-Hirn-Schranke nur begrenzt überwindet. Es entfaltet seine Wirkung vor allem in den äußeren Bereichen des Gehirns, wie den Blutgefäßen der Hirnhäute (Dura mater) und den zugehörigen Nervenzellen.

In den USA wurde Ubrogepant im Dezember 2019 von der FDA zur akuten Behandlung von Migräne mit und ohne Aura bei Erwachsenen zugelassen. Es wird oral verabreicht und bietet eine Alternative für Patienten und Patientinnen, die Triptane nicht vertragen oder bei denen diese nicht wirksam sind.

Was sind Triptane?

Triptane sind Medikamente, die zur Behandlung akuter Migräneanfälle eingesetzt werden. Sie wirken, indem sie bestimmte Serotonin-Rezeptoren im Gehirn aktivieren, was zu einer Verengung der erweiterten Blutgefäße führt und die Freisetzung entzündungsfördernder Substanzen hemmt. Sie können sowohl Kopfschmerzen als auch Begleitsymptome wie Übelkeit und Lichtempfindlichkeit lindern. Triptane gehören in Deutschland zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten zur Behandlung akuter Migräneanfälle. Laut einer Metaanalyse eines internationalen Netzwerks sind Triptane am effektivsten gegen akute Migräneattacken.

Neue Studie: Ubrogepant lindert Migräne-Vorboten effektiv

Die aktuelle Phase-3-Studie PRODROME, veröffentlicht in Nature Medicine, untersuchte die Wirksamkeit von Ubrogepant bei der Behandlung von Migräne-Vorboten. In dieser doppelblinden, placebokontrollierten Crossover-Studie wurden 518 Teilnehmende mit Migräne rekrutiert, von denen 477 in die Wirksamkeitsanalyse einbezogen wurden.

Die Teilnehmenden nahmen Ubrogepant (100 mg) oder ein Placebo ein, sobald sie prodromale Symptome erkannten, die typischerweise innerhalb von 1-6 Stunden zu einer Migräne führen. Die häufigsten Vorboten, die vor der Einnahme bei den Teilnehmern und Teilnehmerinnen auftraten, waren Lichtempfindlichkeit (ca. 61 %), Müdigkeit (ca. 50 %), Nackenschmerzen oder -steifheit (ca. 40 %), Geräuschempfindlichkeit (ca. 36 %) und Schwindel (ca. 30 %).

  • Lichtempfindlichkeit: 2 Stunden nach Einnahme berichteten 19,5 % der Ubrogepant-Gruppe, dass dieses Symptom verschwunden war, im Vergleich zu 12,5 % in der Placebo-Gruppe.

  • Müdigkeit: Nach 3 Stunden gaben 27,3 % der mit Ubrogepant Behandelten an, keine Müdigkeit mehr zu verspüren, gegenüber 16,8 % in der Placebo-Gruppe.

  • Nackenschmerzen: Ebenfalls nach 3 Stunden berichteten 28,9 % der Ubrogepant-Gruppe über das Verschwinden von Nackenschmerzen, verglichen mit 15,9 % der Placebo-Gruppe.

  • Geräuschempfindlichkeit: 4 Stunden nach Einnahme war dieses Symptom bei 50,7 % der Ubrogepant-Gruppe nicht mehr vorhanden, gegenüber 35,8 % in der Placebo-Gruppe.

  • Konzentrationsschwierigkeiten: Bereits eine Stunde nach Einnahme berichteten 8,7 % der Ubrogepant-Gruppe über keine Konzentrationsprobleme mehr, verglichen mit 2,1 % in der Placebo-Gruppe.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Ubrogepant nicht nur die Kopfschmerzen einer Migräneattacke verhindern kann, sondern auch effektiv gegen die frühen Vorbotensymptome wirkt. Die Studie legt nahe, dass die Behandlung in der Prodromalphase eine vielversprechende Strategie zur Verbesserung der Lebensqualität von Migränepatienten- und Patientinnen sein könnte.

Expertenmeinungen: Paradigmenwechsel in der Migränetherapie

Die Ergebnisse der PRODROME-Studie markieren einen potenziellen Paradigmenwechsel in der Migränebehandlung. Bislang konzentrierten sich Therapien hauptsächlich auf die Linderung von Kopfschmerzen während der akuten Phase einer Migräneattacke. Die neuen Erkenntnisse deuten jedoch darauf hin, dass eine frühzeitige Intervention in der Prodromalphase nicht nur die Vorbotensymptome lindern, sondern möglicherweise auch das Fortschreiten zur Schmerzphase verhindern kann.

Infografik mit den vier Phasen eines Migräneanfalls
Ein Migräneanafall verläuft immer in vier Phasen. Ubrogepant setzt im Gegensatz zu anderen Medikamenten nicht in der Kopfschmerz- sondern in der Prodromalphase an. | © Erstellt mit ChatGPT

Die Autoren und Autorinnen der Studie betonen, dass die Behandlung mit Ubrogepant während der Prodromalphase nicht nur die Symptome wie Lichtempfindlichkeit, Müdigkeit und Nackenschmerzen signifikant reduzierte, sondern auch die Wahrscheinlichkeit des Übergangs zu moderaten oder schweren Kopfschmerzen innerhalb von 24 Stunden verringerte. Konkret traten bei 46 % der mit Ubrogepant behandelten Vorbotensymptome keine moderaten oder schweren Kopfschmerzen auf, verglichen mit 29 % in der Placebogruppe.

Diese Ergebnisse legen nahe, dass Ubrogepant nicht nur symptomatisch wirkt, sondern auch die Migräne-bedingten Vorgänge im Körper beeinflussen könnte. Die Beobachtung, dass kognitive Symptome wie Konzentrationsstörungen durch das Medikament gelindert wurden, unterstützt die Annahme, dass die Prodromalphase ihren Ursprung im zentralen Nervensystem hat.

Obwohl die Studienergebnisse vielversprechend sind, betonen die Forscher:innen die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen, um die Wirksamkeit und Sicherheit von Ubrogepant in der Behandlung der Prodromalphase zu bestätigen. Zudem ist es wichtig, die langfristigen Auswirkungen einer solchen frühzeitigen Intervention auf den Verlauf und die Häufigkeit von Migräneattacken zu erforschen.

Ist Ubrogepant in Deutschland zugelassen?

Obwohl Ubrogepant (Handelsname: Ubrelvy) bereits im Dezember 2019 von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) zur akuten Behandlung von Migräne mit und ohne Aura bei Erwachsenen zugelassen wurde, ist das Medikament in der Europäischen Union, einschließlich Deutschland, derzeit noch nicht verfügbar. Ein Antrag auf Zulassung bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) wurde bisher nicht gestellt, sodass Ubrogepant hierzulande vermutlich noch eine ganze Weile nicht regulär verschrieben werden kann.

In Deutschland stehen jedoch andere CGRP-Rezeptorantagonisten zur Verfügung. Dazu gehören monoklonale Antikörper wie Erenumab, Fremanezumab und Galcanezumab, die zur Migräneprophylaxe eingesetzt werden. Diese Medikamente zielen darauf ab, die Häufigkeit von Migräneattacken zu reduzieren, indem sie das CGRP oder dessen Rezeptor blockieren. Im Gegensatz dazu ist Ubrogepant ein oraler CGRP-Rezeptorantagonist, der für die akute Behandlung von Migräneattacken entwickelt wurde.

Ein weiterer oraler CGRP-Rezeptorantagonist aus der Klasse der Gepante, Rimegepant (Handelsname: Vydura), wurde in der EU zur akuten Behandlung und zur Prophylaxe von Migräne zugelassen. In Deutschland ist seit März 2025 Atogepant (Handelsname: Aquipta) zur Migräneprophylaxe verfügbar.

Für Migränepatienten- und patientinnen in Deutschland bedeutet dies, dass sie vorerst auf die verfügbaren Therapien zurückgreifen müssen. Die aktuellen Studienergebnisse zu Ubrogepant könnten jedoch den Weg für zukünftige Zulassungen in Europa ebnen und somit neue Behandlungsmöglichkeiten für Betroffene eröffnen.

Was Migräne-Betroffene jetzt wissen sollten

Die aktuellen Studienergebnisse zur Anwendung von Ubrogepant in der Prodromalphase der Migräne eröffnen neue Perspektiven für die Behandlung dieser neurologischen Erkrankung. Die Möglichkeit, bereits in der Vorbotenphase therapeutisch einzugreifen, könnte nicht nur die Intensität und Dauer von Migräneattacken reduzieren, sondern auch die Lebensqualität der Betroffenen erheblich verbessern.

Für Patienten und Patientinnen in Deutschland bleibt abzuwarten, wann Ubrogepant auch hierzulande verfügbar sein wird. In der Zwischenzeit könnten die Erkenntnisse aus der PRODROME-Studie dazu beitragen, das Bewusstsein für die Bedeutung der Prodromalphase zu schärfen und den Weg für zukünftige Therapieansätze zu ebnen.

Autoreninformation

Daniel Haag, Head of SEO

Daniel Haag

Head of SEO

Daniel Haag ist seit November 2021 Head of SEO bei der ärzte.de MediService GmbH & Co. KG und in dieser Funktion unter anderem für die Suchmaschinenoptimierung von sanego.de zuständig. Mit jahrelanger Erfahrung als Online-Redakteur und in anderen Disziplinen erweitert er das Know-how der Redaktion.

Als ausgebildeter Sänger, passionierter Hobby-Fußballer und Radfahrer beschäftigt er sich privat immer wieder mit dem Stimmapparat, Erkrankungen der Atemwege und Beschwerden am Bewegungsapparat. Der Vater zweier Kinder interessiert sich naturgemäß auch besonders für Kinderkrankheiten.

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