Was sind Windpocken

Windpocken, die auch als Varizellen bezeichnet werden, sind eine durch das Varizella-Zoster-Virus verursachte Infektionskrankheit, in deren Verlauf es zu juckendem Hautausschlag mit Bläschenbildung kommt. Hauptsächlich tritt die Erkrankung in Epidemien bei Kindern auf. Bevor eine Schutzimpfung möglich war, haben etwa 90 % aller Kinder bis zum 15. Lebensjahr eine Windpockeninfektion durchgemacht.
Meldepflicht an das zuständige Gesundheitsamt nach IfSG §7 (1) (Infektionsschutzgesetz) besteht für den direkten oder indirekten Nachweis von Varizella-Zoster-Viren sofern er auf eine aktuelle Infektion hinweist. Nach IfSG §6 (1) sind der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an Varizella-Zoster-Viren meldepflichtig. Außerdem besteht nach § 6 (1) Nr. 5b IfSG Meldepflicht, wenn mindestens zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemiologischer Zusammenhang wahrscheinlich oder zu vermuten ist sofern eine Gefahr für die Allgemeinheit besteht. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn das Virus im Umfeld immungeschwächter Personen auftritt. Weiterhin sind laut §6 (3) IfSG gehäuft im Krankenhaus auftretende und erworbene Varizellen an das zuständige Gesundheitsamt zu melden. Für Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen (zum Beispiel Kindergarten, Alten- und Pflegeheime) besteht gemäß § 34 (6) IfSG die Pflicht, das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich über das Auftreten bestimmter Infektionen und Erkrankungen, bei denen die Gefahr der Weiterverbreitung besteht, zu benachrichtigen und dazu krankheits- und personenbezogene Angaben zu machen. Dies betrifft nach § 34 (1) IfSG auch die Windpocken.
Windpocken Erreger
Das Varizella-Zoster-Virus (VZV) gehört zu der Gruppe der Herpes-Viren und kann zwei Krankheiten verursachen: Bei Erstinfektion die Windpocken und bei Reaktivierung bereits im Körper befindlicher Viren eine
Gürtelrose. Das Virus kommt weltweit vor und kann außerhalb des Körpers einige Tage überleben und seine Infektionsfähigkeit behalten. Besonders im Winter und im Frühjahr kommt es nach statistischen Angaben vermehrt zu Ansteckungen. Die Übertragung des Virus erfolgt bei Windpocken durch virushaltige Tröpfchen, die beim Atmen,
Schnupfen und
Husten ausgeschieden werden. Außerdem ist eine Übertragung durch den virushaltigen Bläscheninhalt mittels Schmierinfektion möglich. Zunächst vermehrt sich das Virus in den Schleimhäuten der Atemwege. Von dort aus gelangt es über das Blut in verschiedene Organe und schließlich in die Haut, wo sich die charakteristischen Bläschen bilden. Von der Ansteckung bis zum Auftreten der ersten Symptome (Inkubationszeit) können 8-28 Tage vergehen.
Komplikationen
Die Komplikationen einer Windpocken-Erkrankung sind während einer Schwangerschaft besonders hoch – sofern die werdende Mutter nicht gegen Windpocken geimpft ist oder durch bereits überstandene Erkrankung dagegen immun ist. Ist das alles nicht der Fall, kann die werdende Mutter auch keine schützenden Antikörper auf ihr ungeborenes Kind übertragen. Und das kann erhebliche Folgen haben:
- Eine Übertragung der Windpocken auf das ungeborene Kind durch die Plazenta hindurch kann zwischen der 5. und 24. Schwangerschaftswoche zum fetalen Varizellensyndrom führen. Dabei kann es zu Narben, neurologischen Erkrankungen, Fehlbildungen, Augenschäden und Skelettfehlbildungen kommen.
- Gefährlich für das Kind ist auch eine Windpocken-Erkrankung der Mutter 5 Tage vor Geburt bis zwei Tage nach der Geburt. Es entstehen sogenannte neonatale Windpocken. Da das Neugeborene noch ein unreifes Immunsystem hat, kann eine Infektion hier im schlimmsten Fall tödlich enden.
- Bekommt die Mutter in der Schwangerschaft hingegen eine Gürtelrose geht davon keine Gefahr für das ungeborene Kind aus. Generell gilt: Sind die Varizella-Zoster-Viren erst einmal im Körper können sie auch noch Jahre später eine Gürtelrose auslösen. Nach überstandener Windpocken-Infektion ruhen die Viren in Nervenknoten und verursachen zunächst keine Symptome. Durch Stress oder Schwächung des Immunsystems können sie allerdings wieder aktiv werden. Dann kommt es zwar nicht mehr zu Windpocken, aber zu einer Gürtelrose.
- Eine häufige Komplikation bei Windpocken ist die sogenannte bakterielle Superinfektion. Sie entsteht, wenn die stark juckenden Windpocken-Bläschen aufgekratzt werden und sich in der Wunde Bakterien ansiedeln. Die Folge: es kommt nach Abheilen zur Narbenbildung.
- Die sogenannte Varizellenpneumonie tritt bei Erwachsenen häufiger auf als bei Kindern. Hierbei treten 3 bis 5 Tage nach Krankheitsausbruch die Erreger der Windpocken auf die Lunge über und verursachen eine Lungenentzündung.
- Es gibt auch Komplikationen, die das Nervensystem betreffen, zum Beispiel Meningitis oder Enzephalitis
- Selten, aber nicht auszuschließen ist auch eine Myokarditis (Herzmuskelentzündung)
Windpocken Ursachen

Das Varizella-Zoster-Virus ist hoch infektiös und wird von Mensch zu Mensch auch über mehrere Meter Abstand durch Niesen, Husten, quasi auf dem Luftweg übertragen. Daher das „Wind“ im Namen Windpocken. Aber auch eine Ansteckung durch Schmierinfektion über direkten Kontakt mit dem Inhalt der Bläschen ist möglich. Infizierte können schon 2 Tage vor Auftreten des ersten Hautausschlages Überträger sein. Erst nach vollständiger Verkrustung aller Bläschen besteht keine Ansteckungsgefahr mehr.
Windpocken Symptome

Die Inkubationszeit für Windpocken beträgt 8-28 Tage. Dabei tritt zunächst an Kopf und Rumpf roter, mehr oder minder stark juckender Hautausschlag auf, der binnen kurzer Zeit Bläschen mit klarem Inhalt bildet. Im Laufe der Krankheit breitet sich der Ausschlag weiter aus, die Bläschen trüben sich ein und es entstehen Verkrustungen, welche nach 2-3 Wochen abfallen. Auch Fieber kann bei Windpocken auftreten. Es geht nach drei bis fünf Tagen dann aber wieder zurück. Bei Erwachsenen mit Windpocken ist das Fieber meist höher und der Hautausschlag ist stärker ausgeprägt. Damit verbunden ist Abgeschlagenheit. Im Verlauf von zwei bis vier Tagen verschwinden immer wieder Bläschen, an anderer Stelle kommen neue hinzu.
Das Ausmaß der Windpocken ist dabei stark vom Alter des Betroffenen abhängig. So ist bei Kindern ein meist milderer Verlauf mit oft nur wenigen Flecken zu verzeichnen, wohingegen ältere Patienten häufig eine starke Bläschenbildung aufweisen. Die Gefahr einer Lungenentzündung als Komplikation der Windpocken ist bei Erwachsenen deutlich höher.
Windpocken Diagnose

Durch die charakteristische Symptomatik lässt sich eine Windpockeninfektion schon auf den ersten Blick gut durch den behandelnden Arzt diagnostizieren. Falls Unklarheiten bestehen, können zusätzlich die gebildeten Antikörper im Blut nachgewiesen werden oder eine Untersuchung des Bläscheninhaltes zur Identifizierung des Varizella-Zoster-Virus angeordnet werden.
Dabei und durch den Nachweis von Antikörpern im Blutserum findet der Arzt heraus, ob die Hautbläschen tatsächlich auf das Varizella-Zoster-Virus zurückgehen oder ob sie beispielsweise durch eine Infektion mit Herpes simplex entstanden sind.
Aus dem Serum können im Labor mit speziellen Tests Antikörper gegen das Varizella-Zoster-Virus nachgewiesen werden. IgG- und IgM-Antikörper sind spezielle Proteine, mit denen unser Immunsystem körperfremde Erreger abwehrt. Antikörper markieren die eingedrungenen Erreger, so dass sie von anderen Zellen unschädlich gemacht werden können. Diese Antikörper sind Immunglobuline, also spezielle Proteine, die sich in ihrer Funktion und Struktur voneinander unterscheiden. Sie werden in fünf verschiedene Klassen (IgG, IgA, IgM, IgD, IgE) mit weiteren Unterklassen eingeteilt. Bei Windpocken ist die Anzahl der Immunglobuline der Klasse G (IgG) stark erhöht und es kann auch die Bildung von Immunglobulinen der Klasse M (IgM) nachgewiesen werden.
Zum Nachweis von Antikörpern zum Beispiel gegen den Erreger Herpes simplex-Virus Typ 1 bedient man sich der KBR. KBR steht für Komplementbindungsreaktion. Ein Komplement ist ein System aus Serumproteinen, die für die Abwehr von Infektionen verantwortlich sind. Wird das Komplement durch Antikörper-(in diesem Fall IgG und IgM)-Antigen-Reaktionen aktiviert, setzen diese Serumproteine eine Kettenreaktion zur Abwehr des Erregers in Gang. Bei der KBR wird der Verbrauch an Komplement bestimmt. Hierzu bedient sich das Labor eines standardisierten sogenannten hämolytischen Systems. Mit Anti-Erythrozyten-Antikörpern beladene Erythrozyten (Testerythrozyten) werden einer Blutserum-Probe zugesetzt. Erfolgte keine Antikörper (IgG und IgM)-Antigen(Virus)-Reaktion in der Probe, so liegt noch unverbrauchtes Komplement vor. Dieses löst dann die Testerythrozyten auf. Der Test auf das Herpes simplex-Virus Typ 1 ist negativ. Hat eine Antikörper-Antigen-Reaktion stattgefunden und wurde deswegen Komplement verbraucht, dann erfolgt kein bzw. ein abgeschwächter Zerfall der Testerythrozyten. Der Test auf das Herpes simplex-Virus Typ 1 ist positiv.
Windpocken Therapie

Die Behandlung der Windpocken erfolgt ausschließlich symptomatisch. Dazu zählen das Auftragen von Creme zur Austrocknung der Bläschen und die Gabe von juckreizstillenden Pudern. Zudem können die Wirkstoffe Ibuprofen und Paracetamol zur Fiebersenkung eingesetzt werden. Die Anwendung von kalten Umschlägen kann zusätzliche Linderung verschaffen. In besonders schweren Fällen können außerdem Virustatika verordnet werden, um den Verlauf zu mildern. Bei bakterieller Superinfektion kann außerdem die Gabe von Antibiotika notwendig werden. Generell gilt, dass die Windpocken-Bläschen nicht aufgekratzt werden sollten, da sonst Bakterien in die Wunde eindringen können und der infektiöse Bläscheninhalt durch Schmierinfektion auf andere Personen übertragen werden kann. Gründliche Handhygiene (Hände waschen, Benutzen separater Handtücher) ist daher oberstes Gebot. Das Kürzen von Fingernägeln kann außerdem verhindern, dass sich die Bläschen allzu leicht aufkratzen lassen.
Medikamente
Windpocken können in schweren Fällen mit Medikamenten der Wirkstoffgruppe
Aciclovir behandelt werden. Generell ist das Ziel der Behandlung von Windpocken, die akuten
Hautveränderungen und
Schmerzen zu lindern. Daher ist zusätzlich zur antiviralen Therapie auch der Einsatz von Schmerzmitteln erforderlich. Voraussetzung für einen guten Therapieerfolg ist, dass die antiviralen Mittel möglichst schnell bereits am ersten Tag nach Ausbruch der Windpocken eingesetzt werden. Aciclovir soll die Vermehrung der Viren verhindern. Der Wirkstoff wird von einem Enzym des Virus und danach von einem Enzym der befallenen Zellen verändert. Die entstandene Substanz verhindert, dass sich die Viren vermehren.
Um einer Nierenfunktionsstörung vorzubeugen sollten Sie während der Behandlung viel trinken. Ist Ihre Nierenfunktion bereits eingeschränkt, sollten Sie Aciclovir nur nach Rücksprache mit Ihrem Arzt anwenden. Vorsicht ist geboten in Schwangerschaft und Stillzeit. Aciclovir in Tabletten und Suspensionen kann in die Muttermilch gelangen. Ihr Arzt wird die Therapie mit Ihnen besprechen. Das Behandlungskonzept muss in jedem Fall individuell angepasst sein.
Homöopathie
Auch die Homöopathie hält Hilfe gegen Windpocken bereit. Welches homöopathische Mittel gegen Windpocken für Sie oder Ihr Kind das geeignete ist sowie Potenzierung und Dauer der Anwendung besprechen Sie bitte mit Ihrem naturheilkundlich tätigen Arzt oder Heilpraktiker. Folgende Homöopathika können bei Windpocken therapieunterstützend eingesetzt werden:
Antimonium crudum (Schwarzer Spießglanz): Mittel mit diesem Wirkstoff können helfen, wenn der Juckreiz sehr groß ist und die Bläschen eine honiggelbe Flüssigkeit enthalten und später dicke, gelbliche Krusten bilden.
Belladonna (Tollkirsche): Für das Anfangsstadium der Windpocken und wenn hohes Fieber mit starkem Schwitzen auftritt ein mögliches Mittel der Wahl.
Rhus toxicodendron (Giftsumach): Wenn die Windpocken-Bläschen mit einem wässrigen Sekret gefüllt sind, einen dunkelroten Hof haben und heftig jucken, dann können Sie zu Rhus toxicodendron greifen.
Windpocken vorbeugen

Für alle Kinder und Jugendlichen wird von der Ständigen Impfkommission (STIKO) eine Schutzimpfung gegen Windpocken (Varizellen) empfohlen. Die erste Dosis der Impfung wird in der Regel im Alter von 11 bis 14 Monaten durchgeführt. Die zweite Dosis erfolgt im Alter von 15 bis 23 Monaten. Der Mindestabstand zwischen zwei Impfungen sollte 4 bis 6 Wochen betragen.
Risikogruppen wie beispielsweise ungeimpfte Schwangere oder Patienten mit geschwächtem Immunsystem können sich bis zu 4 Tage nach einer möglichen Ansteckung mittels Gabe von Varizella-Zoster-Immunglobulin (VZIG) oder Virustatika (Mittel, die die Vermehrung der Viren verhindern) vorbeugend behandeln lassen. So kann der Ausbruch einer Windpocken-Erkrankung verhindert werden oder deutlich abgeschwächt werden.
Windpocken Prognose

Eine Windpockeninfektion verläuft bei Kindern zumeist komplikationsfrei und heilt ohne Folgen aus. Häufig bleiben jedoch infolge von Kratzen und bakterieller Infektion einzelne, kleine Narben auf der Haut zurück. Findet die Erstinfektion jedoch während einer Schwangerschaft statt, kann es zu einem Abort oder Missbildungen des Kindes kommen.
Nach überstandener Windpocken-Erkrankung ist man lebenslang gegen das Virus immun. Man erkrankt also nicht, falls man mit anderen Erwachsenen oder Kindern mit Windpocken in Kontakt kommt. Das Virus ist damit aber noch lange nicht aus dem Körper. Es verbleibt lebenslang in Nervenknoten, bevorzugt in den sogenannten Spinalganglien (Ansammlung von Nervenzellen, die aus dem Rückenmark austreten). Wird das Virus durch bestimmte Einflüsse wieder aktiviert, kommt es noch Jahre bis Jahrzehnte nach überstandenen Windpocken zur Gürtelrose.
Quellen
Pschyrembel Klinisches Wörterbuch, DeGruyter, 2012
Peter Fritsch, Dermatologie und Venerologie für das Studium, Springer, 2009
Redaktion/Bieni