Definition
Man spricht von einer Hyperurikämie ab einer Serumharnsäurekonzentration von über 6,4 mg/dl (380 µmol/l). Das Risiko eines Gichtanfalls steigt mit zunehmender Höhe des Serumharnsäurewertes. Bei einer Erhöhung auf über 9 mg/dl (535 µmol/l) liegt die Gefahr, an einem Gichtanfall zu erkranken, bei 5% jedes Jahr.
Einteilung
Primäre Hyperurikämie
Der primären Hyperurikämie liegt ein genetisch vererbter Defekt zugrunde, der entweder zu einer verminderten Ausscheidung (99% der Fälle) oder zu einer gesteigerten Produktion (1% der Fälle) von Harnsäure führt. Beides hat eine Erhöhung des Harnsäurespiels im Blut zur Folge. Aufgrund der familiären Häufung wird sie auch als familiäre Hyperurikämie bezeichnet.Sekundäre Hyperurikämie
Auch bei der sekundären Hyperurikämie kann es einerseits aufgrund von vermehrter Harnsäurebildung und andererseits wegen einer verminderte Harnsäureausscheidung zu einer Erhöhung des Harnsäurespiegels kommen. Zu ein vemehrten Anfall von Harnsäure kommt es im Rahmen anderer Erkrankungen (v.a. Krebserkrankungen), Medikamenteneinnahme, Alkoholexzessen oder purinreicher Ernährung (Purin wird zu Harnsäure abgebaut). Die Harnsäureausscheidung geschieht über die Niere und ist gestört bei Nierenerkrankungen, Medikamenteneinnahme, Alkoholgenuß und Störungen des Säure-Basen-Haushaltes (Ungleichgewicht des Blut-pH-Wertes). Krankheitsentwicklung
Harnsäure entsteht als Endprodukt beim Abbau von Purinen.
Purine werden
- mit der Nahrung aufgenommen (Innereien, Hülsenfrüchte, Bier, Fleisch, etc.)
- in den meisten Körperzellen gebildet (als Ausgangsprodukt für Bausteine der DNA)
- und im Rahmen von Zellabbau und -erneuerung freigesetzt (vor allem bei erhöhtem Zellumsatz, wie z.B. bei Krebserkrankungen, körperlicher Anstrengung, Psoriasis, Morbus Paget)
Die Ausscheidung der Harnsäure erfolgt zu ungefähr 75% über die Niere und zu circa 25% über den Darm.
Der Gesamtgehalt des Körpers an Harnsäure beim Gesunden beträgt ca. 1g und kann bei einem Gichtkranken bis auf 30g ansteigen. Bei Überschreiten der normalen Harnsäurekonzentration im Blut kommt es zur Auskristallisation und Ablagerung von Harnsäurekristallen im Gewebe und vor allem in den Gelenken. Diese Kristalle bewirken eine Entzündungsreaktion, die zu einer schmerzhaften Gelenksschwellung und -rötung führen, also dem klassischen Gichtanfall. Prinzipiell kann jedes Gelenk, die Schleimbeutel oder auch die Sehnenscheiden betroffen sein. Die häufigste Manifestation ist das Großzehengrundgelenk, was als Podagra bezeichnet wird. Seltener findet sich eine Entzündung am Daumengrundgelenk, was Chiragra genannt wird.
Auslöser sind rasche Veränderungen des Purinhaushaltes, wobei nicht nur eine rasche Erhöhung (purinreiches Festessen, Alkoholkumsum), sondern auch eine rasche Absenkung des Harnsäurespiegels (Harnsäure-senkende Medikamente) zu einen Gichtanfall führen können. Im aktuen Gichtanfall muss der Harnsäurespiegel also nicht erhöht sein.
Es zeigt sich ein gehäuftes Autreten gemeinsam mit Erkrankungen des metabolischen Syndroms (Bluthochdruck, Übergewicht, hohe Blutfettwerte, Zuckerkrankheit), welches auch als Wohlstandssyndrom bezeichnet wird.
Stadien
I. Asymptomatische Hyperurikämie (Harnsäurespiegelerhöhung ohne Symptome)
II. Akuter Gichtanfall
III. Symptomloses Intervall (zwischen zwei Gichtanfällen)
IV. Chronische
Gicht (oft geringe Symptomatik, da Verlauf sehr langsam)
Symptome
Akuter Gichtanfall (II. Stadium)
Aus voller Gesundheit heraus kommt es plötzlich (meist nachts) zu einer
schmerzhafte Monarthritis (Entzündung eines Gelenkes) mit
Schwellung, Rötung und Überwärmung. Begleitend kann
Fieber auftreten. Nach 1-2 Tagen erreicht die Symptomatik ihren Höhepunkt und klingt in der Regel auch ohne Therapie nach 7-10 Tagen ab. Über dem betroffenen Gelenk findet sich hinterher häufig eine Schuppung und Hautjucken.
Chronische Gicht (IV. Stadium)
Kommt heute nur noch selten vor bei Patienten ohne harnsäuresenkende Therapie.
Aufgrund des über einen längeren Zeitraum bestehenden erhöhten Harnsäurespiegels im Blut lagern sich über Jahre hinweg Harnsäurekristalle im Gewebe ab. Dies führt zur Ausbildung sogenannter Gichttophi (Gichtknoten) vorwiegend an gelenknahen Sehnen, am Knorpel oder im Knochen. Diese Knoten sind schmerzlos, derb und können eine Größe von 1 cm erreichen. Besonders häufig findet man sie am Außenrand der Ohrmuschel (Ohrtophi), können allerdings auch an Füßen, Ellenbogen und Händen auftreten. Knochentophi können im Röntgenbild nachgewiesen werden.
Zudem kann es zu einer Nierenbeiligung kommen, die sich in Nierensteinen, Niereninsuffizienz bis hin zum Nierenversagen äußern kann. Ursächlich sind hierbei Ablagerungen von Harnsäurekristallen im Gewebe oder den Nierenkanälchen.
Diagnose
Bei Verdacht auf eine Hyperurikämie wird vorerst die Serum-Harnsäure bestimmt und es schließen sich Úntersuchungen der Harnsäureausscheidung im Urin an. Eine genaue Befragung nach betroffenen Familienmitgliedern, liefert häufig einen weiteren Hinweis, da meist eine genetisch vererbte Störung vorliegt. Eine unklare Gelenksentzündung kann zur Diagnose Gicht führen, wenn in der durch Gelenkspunktion (Gelenksflüssigkeit mit steriler Nadel aus Gelenk entnommen) gewonnen Gelenkflüssigkeit Harnsäurekristalle nachgewiesen werden können. Liegt bereits ein Verdacht auf eine Hyperurikämie vor kann auch ein Therapieversuch mit dem Medikament Colchizin unternommen werden. Bessert sich die Symptomatik schnell spricht dies für das Vorliegen einer Gichterkrankung.
Ist die Diagnose der Hyperurikämie gesichtert schließen sich Untersuchungen an zur Einordnung ob eine primäre oder eine sekundäre Form vorliegt (z.B. Nachweis von genetisch bedingten Enzymdefekten, etc.).
Therapie
- I. Stadium: Die Asymptomatische Kyperurikämie bedarf keiner medikamentösen Therapie, eine diätetische Behandlung ist zu empfehlen.
- II. Stadium: Im akuten Gichtanfall wird eine medikamentöse Therapie angewandt
- Colchizin: In den ersten 4 Stunden 1 mg stündlich, dann 0,5 - 1 mg alle 2 Stunden, maximal 6 mg pro Tag. Nach Besserung der Beschwerden rasche Dosisreduktion über 2-3 Tage.
- Nichtsteroidale Rheumatika: z.B. Diclofenac
- Weitere Maßnahme: Ruhigstellung und kühlende Umschläge am betroffenen Gelenk
- III./IV. Stadium: Eine Senkung des Harnsäurespiegels auf 5 mg/dl wird angestrebt. Bei Harnsäurewerten bis 9 mg/dl sind diätetische Maßnahmen meist ausreichend, ansonsten wird eine medikamentöse Therapie begonnen.
- Ernährung
- Normalisierung des Körpergewichtes
- reichliche Flüssigkeitszufuhr (mindestens 1,5 Liter pro Tag)
- Purinarme Diät
- purinreich: Innereien, Fleisch, Fisch, Schalentieren, Hülsenfrüchte, Bier
- purinarm: Obst, Gemüse
- purinfreie Eiweißquellen: Milch, Käse, Ei
- Alkoholverzicht
- Vorsicht beim Fasten oder Chemotherapien! Hier fallen vermehrt Purine ab aufgrund erhöhtem Zellzerfall. Begleitend viel trinken und/oder Allopurinol einnehmen.
- Medikamente
- Mittel der Wahl: Allopurinol (Verminderter Harnsäureanfall). Bei Therapiebeginn sollte man es mit Colchizin kombinieren, da bei rascher Senkung der Harnsäure ein Gichtanfall ausgelöst werden kann.
- Alternativ: z.B. Probenecid (gesteigerte Harnsäureausscheidung in der Niere).
Verlauf
Bei konsequenter und rechtzeitig begonnener Behandlung ist die Lebenserwartung nicht eingeschränkt. Bei fehlender oder unzureichender Therapie sterben 20-25% der Patienten mit chronischer Gicht an
Nierenversagen. Auch Herzinfarkte und Schlaganfälle sind häufige Todesursachen, was in der Assoziation mit dem metabolischen Syndrom liegt, welches ein hohes Risiko für Herzkreislauferkrankungen darstellt.
Quellen:
- Greten, Heiner: Innere Medizin. Verstehen - Lernen - Anwenden. 12. Auflage. Stuttgart: Thieme, 2005
- Herold, Gerd: Innere Medizin. 2007
Verfasserin:
Judith Kroll